Der Ring der Heiler
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> IT: Der Feldzug im Norden, Vom JdS bis zum CoM
Frey Thomasson
Geschrieben am: Jun 8 2008, 08:59 PM
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Ein paar Einleitende Worte vorneweg: Anne, Chris (unser Leibwächter auf dem JdS) und Ich haben uns überlegt, dass wir hier eine Sammlung von kleinen Geschichten, Berichten, Briefen und Tagebucheinträgen posten werden, die beschreiben, was Miriel und Frey in der Zeit zwischen JdS und CoM erleben. Hauptsächlich gehen die beiden jetzt in den Norden, um dort den Feldzug des nördlichen Siegels mit Heilern zu unterstützen. In diesen Berichten möchten wir das Heilerleben und die beiden Charaktere näherbringen, es wird stellenweise brutal und traurig werden, aber es wird auch sehr viel von dem beschrieben, was an wichtigen diplomatischen und sonstigen Aktionen bezüglich des Rings läuft.

Im Großen und Ganzen stellen wir uns auch vor, dass diese Berichte einen Einblick geben werden, was es wirklich bedeutet, Heiler in einem brutalen krieg zu sein, was man dort erlebt und vor allem, wie diese Erlebnisse jemanden verändern können. Wir hoffen, dass es euch gefallen wird.

Noch etwas. Dieser Thread ist ein reiner IT Thread, in dem nur wir drei posten werden. Kommentare, Fragen und ähnliches haben ihren Platz im OT Thread dazu. Und ich würde mich wirklich freuen, wenn Fragen und Kommentare kommen

P.S. : Es wird in diesem Thread sehr viel IT Wissen präsentiert werden, dass eure Chars nicht haben, grade was die Charaktere Miriel und Frey angeht. ich möchte euch darum bitten, dass was immer ihr hier auch lest, ihr auf dem CoM nicht zur Sprache bringt, wenn ihr es IT nicht wissen könnt. Ihr würdet uns und euch sonst mit großer Sicherheit das Spiel kaputtmachen. Manche Dinge, die bisher in den Geschichten aufgetaucht sind, können allerdings auch unter dieser Prämisse nicht gepostet werden, weil sie einfach geheim bleiben sollen, aber trotzdem elementarer Anteil der Geschichten sind. In diesem Fall möchte ich euch bitten, etwatige Lücken zu entschuldigen.

Dann gehts auch bald los

Bearbeitet von Frey Thomasson am Jun 8 2008, 09:04 PM


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Frey Thomasson
Geschrieben am: Jun 8 2008, 10:54 PM
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Here be Dragons!

Los gehts.

Bearbeitet von Frey Thomasson am Jun 8 2008, 11:01 PM


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Chris
Geschrieben am: Jun 8 2008, 10:59 PM
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[Zeitpunkt: 3 Wochen vor dem Konzil | Ort: Am Fußes des Berges Aeris' im Norden | Autor: Chris ]

Der Wind hatte abgeflaut, Fliegen und der süßliche Geruch von Tod und Verwesung durchzogen die Luft. Überall lagen die Toten mit abscheulichen Verwundungen. Der blau-schwarze Matsch klebte an den Füßen und machte jeden Schritt mühselig. Im Tod vereinten sich das Blau-Schwarz und das Rot um einen ekligen Braunton zu formen, flossen ineinander und bildeten Schlieren auf dem brackigen Regenwasser, das sich angesammelt hatte.
Mehrere hundert Meter weiter tobte nach wie vor die Schlacht um den Berg Aeris', aber sie war beinahe gewonnen, oder so schien es zumindest.
Die fahle Asche des Vulkans bedeckte noch immer die Weiten Isenfels' während ein einsamer Mann mit blau-schwarzen Blutschlieren im Gesicht und auf dem Kettenhemd über das Feld huschte. Sein Kurzschwert steckte in der Scheide und ein einfacher Rundschild hing ihm über der Schulter. Er griff zu Boden, zerrieb etwas Asche zwischen seinen Fingern und grinste in sich hinein: Vielleicht war die Heimat doch nicht so fern wie gedacht. Mit einer schnellen Handbewegung malte er ein Zeichen auf seinen Handrücken, dann fokusierte er sich wieder auf seine Aufgabe.
Er hatte den kleinen Hügel, von dem er aus das Schlachtfeld überblickt hatte vor noch nicht allzulanger Zeit verlassen und war sich schon fast unsicher, sein Ziel aus den Augen verloren zu haben, als ihm ein Mann mit dem weißen Wimpel und dem roten Blutstropfen am Gürtel aus hohlen Augen anstarrte. Der Schrei war ihm in der aufgerissenen Kehle erstickt, als der große Breschenhammer des Schwarzen Eises seinen Unterkörper grausam zermalmte. An seinen Eingeweiden, die vor ihm ausgebreitet auf dem Boden lagen, vergingen sich bereits die ersten Raben, die der Söldner im Näherkommen verscheuchte. Er schüttelte den Kopf: Dieses fligende Getier verwunderte ihn immer wieder.
Einige Meter weiter lag eine junge Frau, deren rotes Kleid früher bestimmt schön ausgesehen haben mochte, aber gezeichnet vom Krieg hing es ihr in Fetzen vom Leib, der mehrfach von einer Axt getroffen aufklaffte. Sie lag vorne übergekíppt auf einem Krieger dessen Wunden sie gerade hatte verarzten wollen. Mit ihrem Gewicht hatte sie ihm die angebrochene Rippe durch einen Lungenflügel gerammt, woran der Mann nach minutenlangem Kampf erstickt war.
Er passierte zwei weitere Heiler, die sich in den Armen lagen - Im Tod vereint. Vom Alter her könnten sie verheiratet gewesen sein. Der Kopf des Mannes war gespalten und einige Raben hatten sich an seinem Gehirn bereits gütlich getan, während die Frau, die ihm zur Hilfe eilen hatte wollen, durch einen durchstoßenen Speer für ewig mit ihm vereint war. Das Blut der beiden war den Schaft hinunter gelaufen und hatte eine Pfütze gebildet, an der sich die Ratten labten.
Etwas abseits zu seiner Linken lagen zwei weitere Heiler in grotesken Verränkungen, deren Körper mit zahllosen Pfeilen gespickt waren. Eine Krähe hatte sich gemütlich auf einem Pfeil niedergelassen, der aus der Stirn des einen ragte und pickte im Aug des Mannes herum, während sich zwei weitere um den herausgezerrten Augapfel stritten.

Die Person, die er suchte, lag unter zwei gefallenen Chaoskriegern, deren Rückengestelle sich ineinander verkeilt hatten. Sie hatten die Frau in ihrem einfachen blauen Leinenkleid unter sich begraben, nachdem sie verwundet zusammengebrochen war. Der Söldner kniete sich in den Matsch vor ihr und fühlte vorsichtig nach ihrem Puls. Erleichtert schnaufte er aus, als er ihn flach, aber dennoch deutlich spürte. Auf den ersten Blick schien sie keine allzugroßen Blessuren davongetragen zu haben. Der Arm stand etwas unnatürlich ab, aber er fühlte keine Brüche. Eine größere Anzahl leichter Schnitte hatten ihr Kleid durchdrungen und blutige Risse hinterlassen, doch darum mussten sich andere später kümmern. Nichts was lebensgefährlich war, soviel konnte er sagen. Mit einer Axt die am Boden lag, zerschlug er die Rückengestelle der Krieger und mit einiger Kraftanstrengung hievte er die schweren Männer von der zarten Frau. Auch der Rest schien unversehrt.

Ein letztes mal blickte er sich vorsichtig nach Feinden um, dann packte er sich die Heilerin über die Schulter und kämpfte sich durch Matsch und Tod Richtung Lager. Er zog sich ein Tuch über Mund und Nase, um etwas den ekelhaften Gestank zu ertragen, aber nicht selten stand er kurz davor die Frau einfach fallen zu lassen und die Galle aus sich herauszupressen. Er war viel gewöhnt und hatte so einiges miterlebt, aber gegen die Schrecken eines solchen Schlachtfeldes konnte man sich nie endgültig abhärten.
Torkelnd erreichte er schließlich das provisorische Feldlager der verbündeten Heere, über dem auch das Banner des Rings neben dem des Chaos, der verschiedenen Drowhäuser, der Naldar und anderer Verbündeter, u.a. eine simple blau-grüne Flagge, flatterte. Als man ihn am Tor aufhalten wollte, schlug er verärgert den Wimpel am Gürtel der Frau zurück, was die Leute sofort veranlasste ihm den Weg freizugeben und zu den Zelten der Heiler zu geleiten. Der verantwortliche Medicus blickte ihn zunächst verständnislos an. Seit Tagen gab es keinen freien Platz mehr in den Heilerzelten. Überall roch es nach Jod, Erbrochendem und Blut. Und über allem der süßliche Geruch von Tod. Krieger von Drow, Chaos, Naldar und anderen Verbündeten lagen im Sterben. Es waren so zahllose Massen gefallen, dass man die Verwundeten nicht mehr auf Bahren betten konnte, sie dicht an dicht auf dem Boden nebeneinander lagen und sich fünf Leute abwechselnd ein Laken teilten, um in der Kälte und Nässe nicht vorher an Unterkühlung zu sterben. Die ersten Fälle von Typhus hatte man in einer großen Grube außerhalb des Lagers beinahe schon lebendig begraben und das Geschrei und Gewimmer aus dem Amputationszelt nahm keinen Abriss. Es waren weniger die im Kampf glatt abgeschlagenen Gliedmaßen, die man hier versorgte, sondern die Trümmerbrüche, die eiternden und faulenden Wundbrände und diejenigen, die sich im Fieberwahn und vor lauter Verzweiflung selbst versucht hatten zu operieren. Die Heiler kamen nicht nach und so manch einer im Zelt starb bevor er das erste mal einen Medicus sah. Und dann gab es da noch diejenigen, die außerhalb des Zeltes auf einer großen Wiese lagen und von einigen Laufburschen mit Wasser versorgt wurden, die man aber schon längst abgeschrieben hatte.

Ein plötzlich aufkommenden Windstoß ließ eine Strähne ihres braunen Haares aus dem Gesicht fallen und der Medicus jappste geschockt auf: "Miriel! Bei den Elementen... Miriel oh Miriel... ist sie..." Er blickte dem Soldaten ins Gesicht: "Ist sie ..." noch einmal schluckte er schwer. "Ist sie tot?" In der Zwischenzeit hatte sich eine größere Traube von Heilern um sie gesammelt, die von den lauten seelischen Schmerzensrufen des Arztes angezogen worden waren. In einigen Augen sah man Tränen schimmern, andere hielten verzweifelt ihren Atem an, um die Antwort ja nicht zu verpassen, wieder andere waren bereits wieder losgerannt, um andere Heiler zu holen. Die Verwundeten des Heeres waren plötzlich egal geworden. Ein Heiler hatte seine Pflichten, aber diese Neuigkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer durchs Lager: die Ringsprecherin war tot... Die Frau, die zusammen mit Frey Thomasson und einigen wenigen anderen den Ring aufgebaut hatte, war tot.

Bearbeitet von Chris am Jun 8 2008, 11:11 PM
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Chris
Geschrieben am: Jun 10 2008, 11:59 PM
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Der Angesprochene blickte verständnislos in die Runde. Tiefe Falten bildeten sich auf seiner Stirn, dann schüttelte er verärgert den Kopf. "Glaubt ihr Trottel, ich würde sie hierherbringen, wenn sie schon tot wäre! Jetzt bewegt euch und kümmert euch um sie. Das ist hier das Zelt der Heiler und nicht der Zirkus oder?" Er hob sie ächzend von der Schulter, als ihm bereits ein kräftiger Heiler entgegengestochen kam und den schlaffen Körper beinahe aus seinen Armen riss. Der Medicus begann seine Leute herumzuschicken. Einige schickte er fort um sich wieder um die Verwundeten zu kümmern, andere sollten sich um Miriel kümmern. Eine kleinwüchsige Frau blieb neben dem Kämpen stehen und blickte zu ihm auf. Tränen standen in ihren großen Augen, ihr Kopf war rot angelaufen. Unter zittern bekam sie nur ein leises "Danke" heraus. Er nickte ihr kurz zu und ließ sich dann mit Blick auf das Zelt in das Miriel getragen worden war auf einen Strohballen nieder. Er musste eine Weile schweigend gesessen haben, mit den Gedanken abgeschweift, als ihn jemand anstuppste. "Hier du magst sicher etwas essen, oder?" Als er sich umblickte, sah er wieder die kleine Frau, die ihn freundlich anlächelte. Er griff nach der Schale voll dickem Eintopf und zwang sich ein freundliches Lächeln auf die Lippen. "Danke nochmal, dass du Miriel gerettet hast. Sie bedeutet uns allen unglaublich viel." Sie hielt kurz inne. "Ich bin Brayanne." Sie lächelte ihn warmherzig an, als er sich nicht rührte, wurde ihr Blick fragend, und der Krieger realisierte, dass der Blick wohl eine Auffordung sein musste. "Nennt mich ... Gavin... Gavin Landorn."
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Frey Thomasson
Geschrieben am: Jun 22 2008, 08:18 PM
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[3 Tage vor Beginn des Konzinls in Steinbrück. Ort: Neu Prathanperk, Akademie des Rings der Heiler.]


"Friedrich!", schallte Freys Stimme mit einem ärgerlichen unterton über die Flure der Akademie, "wo bleiben diese verdammten Dokumente, die ich unterzeichnen soll?" Grummelnd schlug der Dekan die Tür zu seinen Räumlichkeiten wieder zu und ging zu seinem Schreibtisch zurück, auf dem sich neben ein paar Büchern, Siegellack, Tinte und Feder auch zahlreiche Pergamente auf eine sehr unordentliche Weise stapelten. Er ließ sich in seinen Lehnstuhl fallen, stöhnte und nahm einen Schluck aus einer kleinen Glasflasche, in der eine grünliche Flüssigkeit träge hin und her schwappte. Es griff nicht zum ersten Mal heute nach ihr und die Mühe, den Korken wieder in die Flasche hineinzustecken machte er sich garnicht mehr.

Frey rieb sich kurz die Schläfen und laß dann zum dritten Male die Berichte, die er über Kontakte aus dem Norden erhalten hatte. Die Informationen waren Wochen alt und ließen nichts Gutes ahnen. Der Feldzug im Norden gegen die Antielemente rollte, doch sein Informant schätzte, das es sehr sehr blutig werden würde. Und Miriel und das Banner waren mit einem Trupp Feldscher mitten drin. schnaubend knüllte Frey das Pergament zusammen und schleuderte es durch den Raum in die Glut des Kamins. Die Akademie kotze ihn an, die ständigen Bittsteller, die Amtsgeschäfte, Bürokratie und das Geplänkel mit den 'besseren Schichten' dieses Molochs von Stadt. Wärend seine Leute im Norden bluteten, musste er hier sitzen und sich mit diesen Nichtigkeiten abgeben. Wie gerne wäre er jetzt auch dort.

Das Konzil in Steinbrück allerdings war eine willkommene Ablenkung. Die Einladung der Archenar lag schon lange auf seinem Schreibtisch und im Verlauf des nachmittags wollte er dorthin aufbrechen. Doch vorher gab es noch Papierkram zu erledigen.
Abermals stand Frey auf und marschierte auf die Tür zu, doch just in dem Moment, als er sie aufreissen und nach seinem Diener rufen wollte, kam Friedrich, ein junger Bursche von vielleicht 15 Jahren, mit den Pergamentrollen durch die Tür. "Verzeihung, Herr," stotterte er los und verbeugte sich.
"Lass den Mist," murrte Frey und nahm dem jungen die Dokumente ab, "ich hab dir schon sooft gesagt, dass ich es nicht leiden kann, wenn du Herr sagst und hier buckelst. Steh aufrecht."
"Ja, H..," meinte Friedrich unsicher und richtete sich wieder auf. "Gut so," entgegnete ihm Frey, während er bereits die feder in der Hand hatte.
"Hier, kannst den Wisch wieder mitnehmen, ich habe ihn unterzeichnet und gesiegelt. Wenn du das erledigt hast, gehst du zum Stallmeister und sagtst ihm, dass er den Karren anspannen soll. Mein Gepäck ist fertig gepackt, wenn es aufgeladen ist, breche ich auf." Der Bursche nickte eifrig, nahm die Pergamentrollen wieder entgegen und lief aus dem Zimmer.

Frey hingegen ging zu einer großen Eichentruhe und öffnete sie. Eine ganze Weile schaute er hinein, dann schüttelte er den Kopf und schloss den Deckel wieder. Für das Konzil würde nichts daraus brauchen.


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Miriel
Geschrieben am: Jun 23 2008, 03:06 PM
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[1 Tag nach Ende des großen Konzils in Steinbrück. Ort: Steinbrück]

„Aufbruch.“ befahl Miriel knapp und nickte Gavin zu. Dieser zog noch einmal am Sattelgurt des Pferdes und verschränkte dann auffordernd die Hände ineinander, um der Ringsprecherin beim Aufsitzen zu helfen. Mit einem Seufzer ließ sie sich in den mittlerweile schon vertrauten Sattel gleiten und glättete ihre Kleidung. Neben ihr schwang sich Gavin auf sein Pferd und rechts von ihr tauchte Frey auf. Er gähnte verhalten. „Ganz schön früh am morgen...“ brummte er und nickte Miriel aufmunternd zu. Noch einmal blickte sie zurück auf die Tore der kleinen Stadt Steinbrück, ließ ihren Blick hinüber zur Mine und letztendlich zum Ritualplatz schweifen. Immer noch zierten ein paar weiße Federn den Rasen, noch nicht verweht von Aeris Atem. Sie seufzte und schloss kurz die Augen. Es war in den letzten paar Tagen, nein, in den letzten paar Wochen soviel passiert, dass sie nicht mehr wusste wo ihr der Kopf stand.
Blinzelnd blickte sie in die Sonne und konnte in ihrer Reiserichtung in großer Entfernung ein Banner wehen sehen – der schwarze Blutstropfen auf weißem Grund. Das Wappen ihres Mannes. Tränen schossen ihr in die Augen und sie selbst wusste nicht genau, ob sie weinte, weil die Sonne in ihren Augen brannte, oder weil ihre Liebe zu Koach auf eine harte Prüfung gestellt wurde. Verstohlen wischte sie sich kurz über die nassen Wangen und trieb ihr Pferd ungeduldig an. Schweigend folgte Gavin ihr, wie schon seit der Schlacht im Norden. Auch Frey setzte sein Pferd in Bewegung und holte zu ihr auf. Sein stummer Blick ruhte für einen Moment auf ihren leicht geröteten Augen, doch er sagte nichts. Und Miriel war ihm dankbar dafür.

In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken und sie musste sich Mühe geben alles in die richtige Reihenfolge zu bringen. Es war wichtig sich alles noch einmal in Erinnerung zu rufen, um damit abzuschließen. Oder zumindest einen großen Riegel vor die Ereignisse zu schieben und sich irgendwann später darum zu kümmern. Angestrengt blickte sie auf den Hals ihres Pferdes und versuchte sich an alle Einzelheiten zu erinnern.

Die Reise nach Steinbrück war eine der schrecklichsten gewesen, die sie je erlebt hatte. Gavin hatte ihr das Leben zwar so leicht wie möglich gemacht und hatte dafür gesorgt, dass sie sich nicht überanstrengte aber dennoch. Die ausgekugelte Schulter hatte ihr so große Schmerzen bereitet, dass sie nachts kaum Schlaf gefunden hatte. Und wenn sie in einen leichten Schlaf gefallen war, dann nur um schreiend und schweißnass aus Alpträumen zu erwachen. Die in der Schlacht gefallenen Heiler waren immer wieder vor ihr erschienen und hatten sie anklagenden und voller Leid gemustert. Nicht gesprochen, nichts getan, sie nur angeschaut. Das war schlimmer als jede Anschuldigung, jeder Hass.

Der stetige Schlafentzug und die Entbehrungen der Reise hatten sie blass und kränklich werden lassen. Brayanne und Luran, die beide mit aus dem Norden gekommen waren um sie zu unterstützen hatten sie immer wieder besorgt darauf angesprochen. Doch Miriel hatte sie stets harsch zurückgewiesen. Jetzt, im Nachhinein, tat ihr ihr Verhalten leid, doch zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich nicht zu helfen gewusst. Der Schmerz war einfach zu groß gewesen und das war er eigentlich immer noch.

Sie hatten die größte Zeit im Gefolge von Lord Elkantar und Kashalee Zress verbracht, sich aber kurz vor Steinbrück von ihnen verabschiedet und an Tempo zugelegt. Mit dem Chaos und den Drow anzureisen war keine taktisch kluge Entscheidung wenn man Herzogin im Osten Mythodeas war und einen Ruf, zumindest nach Außen hin, zu wahren hatte. Innerlich immer noch taub von dem was sie in der bestialischen Schlacht am Nördlichen Siegel gesehen hatte, war ihr erst wieder wohler geworden, als sie die Tore der Stadt passiert hatte. Ihre Schulter schmerzte stark, doch sie war im Osten. Unter Freunden. In Sicherheit. Schon nach wenigen Metern begegnete sie den ersten vertrauten Gesichtern aus den Reihen des stählernen Sterns und sie begann sich allmählich zu entspannen.
Auf der Hauptstraße, unweit des Marktplatzes und der Arena, war ihr Koach begegnet, flankiert von seinem Vetter Marak. Unendlich froh ihn unverletzt und anscheinend bei bester Gesundheit anzutreffen beschleunigte sie ihre Schritte. Es verwirrte sie ein wenig, dass er nichts tat, um ihr schneller entgegen zu kommen, aber sie schüttelte dieses seltsame Gefühl ab. Was sollte ihr im sicheren Osten schon passieren? Hier in ihrer neuen Heimat war noch alles in Ordnung. Frieden, kein Schlachtenlärm und ihr Mann, den sie gerne in die Arme schließen wollte. Als sie die Hand nach ihm ausstreckte wich er mit einem Stirnrunzeln zurück und entzog sich ihrer sanften Berührung.
Miriel zog fragend die Augenbrauen nach oben und versuchte es mit einem freundlichen Gespräch, doch auch in dessen Verlauf zeigte Koach keinerlei Erkennen oder Gefühle. Scheinbar mechanisch wiederholte er ihre gemeinsame Vergangenheit auf die Frage, ob er noch wüsste wer sie sei und wie er und sie zueinander stehen würden. Seine Worte klangen wie auswendig gelernt und sie spürte wie sich ihr Magen vor Angst zusammenzog. Etwas stimmte nicht, aber sie konnte nicht sagen was es war. Ihr Mann war nicht mehr derselbe, keinerlei Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit, ihre Hochzeit und ihre Liebe. Maraks mitleidiger Blick ruhte auf ihr und versetzte ihr einen schmerzhaften Stich, doch auch er schwieg. An ihm vorbei blickte Miriel auf die andere Straßenseite und sah dort Leomir Greifenkind, den Streiter Aeris und Neches Ree des Osten, stehen und ihr mit so kummervoller Miene zunicken, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten. Anscheinend wussten hier alle was geschehen war außer ihr.
„Was haben sie nur mit dir angestellt dort unter St. Georg?“ brachte sie hervor, doch Koach hörte ihr schon nicht mehr zu. Mit einer höflichen, leichten Verbeugung verabschiedete er sich von ihr und flanierte weiter die Straße hinunter. Miriel schluckte hart und blickte ein weiteres Mal zu Leomir, der sich ihr nun näherte.

„Miriel, es ist schön Euch hier zu sehen. Anscheinend habt auch Ihr die Strapazen der Expedition gut hinter Euch gebracht.“
„Leomir, bitte....was ist hier geschehen? Was ist mit meinem Mann?“ Miriels Stimme brach und Tränen überströmten ihre Wangen. Stumm nahm Leomir ihre Hand und drückte diese kurz.
„Ich weiß nicht, wie ich es Euch am besten beibringen soll.“ Er senkte seine Stimme und blickte sie sanft an. „Es wird Euch nicht gefallen, was ich nun berichte. Miriel, Koach wurde unter St. Georg von einer Tochter der Leere versucht. Er war kurz davor uns alle zu verraten. Sie hatte ihn völlig in ihrer Macht und hat ihn viele Dinge, die ihm wichtig waren, vergessen lassen. Ich weiß wie schwer das alles für Euch sein muss.“ Leomir hielt inne und berührte beruhigend ihren Arm. Innerlich versuchte Miriel verzweifelt den Sinn hinter Leomirs Worten zu verstehen, doch es gelang ihr kaum. Das was er sagte konnte sie einfach nicht glauben. Ihr Mann sollte sie und alles was sie gemeinsam durchlebt hatten komplett vergessen haben?
Miriels verzweifelter Blick schien Leomir bis ins Innerste zu berühren und ebenso hilflos zu machen wie sie sich selbst fühlte. Mit einem bloßen Kopfnicken als Dank wandte sie sich von ihm ab und folgte wie betäubt der Straße zu ihrer Bleibe in Steinbrück.

An das Wiedersehen mit den Löwensteinern und ihren Freunden Thyria und Frey hatte Miriel im Nachhinein nur noch verschwommene Erinnerungen. Frey hatte sie nach dem Krieg im Norden gefragt. Nach den Verlusten, den Geschehnissen und wie es dort oben nun weitergehen würde. Sie hatte versucht ihm zu antworten, aber schon die erste Frage hatte sie innerlich so hart getroffen, dass die Auskunft sehr knapp und harsch ausfiel. Frey schien wieder dies, noch ihr völlig erstarrter Gesichtsausdruck wirklich aufzufallen oder zu interessieren. Nur ihre in ein Tuch gehüllte Schulter wurde ausgiebig begutachtet und wieder eingerenkt. Der nachlassende Schmerz ließ eine große Leere zurück. Genug Platz für quälende Gedanken. Alte Vorwürfe aus dem Krieg im Norden und neue bezüglich ihres Mannes. Miriel versuchte alles in den Hintergrund zu drängen und sich auf ihre Freunde zu konzentrieren, doch auch das bereitete ihr neue Sorgen. Thyria wirkte besorgt, sie war schmaler und ernster geworden seit ihrer letzten Begegnung vor ein paar Monaten. Und Frey – ja, er sah schlecht aus. Seine Pupillen blickten sie groß und schwarz an und Miriel fragte sich schaudernd wie viele von den Pillen er heute wohl schon geschluckt haben musste. Wie zur Bestätigung zückte er seine braune Glasflasche und schob sich etwas von dem Schmerzmittel zwischen die Zähne. Am liebsten hätte sie ihn an seinen Schultern gepackt und einmal kräftig durchgeschüttelt und ihn dazu angeschrieen. Die Müdigkeit und die Niedergeschlagenheit hielten sie davon ab, aber sie warf ihm einen scharfen Blick zu, den er wie gewohnt mit einem mokanten Grinsen erwiderte.

Auch die Gerichtsverhandlung über Leomirs Tat flog an ihr vorbei. Die Erinnerung daran war schwach. Miriel wusste nur noch, dass sie das Spruchband Aeris, ein wertvoller Besitz Leomirs, für ihn gehalten hatte. Innerlich hatte sie die Elemente angefleht Milde walten zu lassen. Denn auch sie fand, dass sein Vergehen alles andere als schlimm war. Und vor allem wollte sie Leomir frei und glücklich sehen. Wenigstens einer in ihrem Umfeld sollte nicht leiden müssen und der Streiter Aeris hatte schon so ein hartes Los gezogen. Als der Freispruch erklang löste sie ihre Finger, die sich um Leomirs Spruchband verkrampft hatten langsam. Mit einem schmalen Lächeln reichte sie ihm dieses zurück und umarmte ihn kurz. Er sah erleichtert und zufrieden aus.

Der nächste Tag brachte Überraschungen und Trauer mit sich. Gavin folgte ihr, wie immer, auf den Fuß und mehrfach musste Miriel an sich halten, um ihn nicht anzubrüllen oder ihn von sich zu weisen. Sie wusste, dass er seine Aufgabe erfüllte und sie ihn dafür mehr als schlecht behandelte. Doch nicht ohne Grund hatte sie in einem lichten Moment auf der Reise Richtung Steinbrück zu ihm gesagt, dass er sich auf keinen Fall von ihrem Verhalten abschrecken oder verärgern lassen sollte. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, warum sie so offen zu ihm gesprochen hatte, aber jetzt zahlte es sich aus. Er folgte ihr treu überall hin und erleichterte ihr das Leben öfter als sie zugeben wollte.

Die Bank von Steinbrück war im Laufe des Vormittages von ein paar Räubern überfallen worden und sie hatte zusammen mit Frey die verwundeten und vergifteten Bankangestellten versorgt. Auf dem Rückweg war ihr Síobhan, die Nyame des Westens, über den Weg gelaufen und hatte ihr eine einfache, aber folgenschwere Frage gestellt.
„Miriel, es ist schön dich zu sehen! Sag mir, welchem Element hast du deinen Glauben geschenkt?“
Ohne lange darüber nachzudenken hatte sie mit einem schlichten „Aqua.“ geantwortet. Das breite Lächeln Síobhans hatte ihr kurzfristig Sorgen bereitet, doch die Nähe der Nyame hatte eine erstaunlich wohltuende Wirkung auf ihren verwirrten und verletzten Geist. Síobhan ergriff ihre Hand und führte sie zum westnördlichen Rand der Stadt. „Miriel, ich bitte dich darum weil ich mir sicher bin, dass du diese Aufgabe erfüllen kannst. Berühre die Kiste, sie ist ein Teil von Magica und denk an deine Liebe zu Aqua. Danach wird es dich, sollte dein Glaube stark genug sein, an einen Ort ziehen, an dem wir die Kiste Aquas finden sollten. Maedhbh hat Ignis Kiste schon auf der anderen Seite von Steinbrück gefunden.“
Die Heilerin runzelte die Stirn und nickte dann aber zögerlich. Sie vertraute Síobhan, das hatte sie schon immer getan. Vorsichtig die Hand ausstreckend berührte sie mit nur einem Finger sachte die Kiste der Magie. Das nächste an das sie sich erinnern konnte war ein lautes Krachen und ihr eigener Schrei, der ihr schmerzhaft in den Ohren dröhnte...

Sanfte Hände richteten sie auf und strichen ihr die wirren Haare aus der Stirn. Miriel öffnete die Augen und vor ihr knieten Gavin und Síobhan, die sie besorgt und erschrocken musterten.
„Was...ist geschehen?“ murmelte sie und wollte sich den dröhnenden Schädel halten. Wimmernd sackte sie wieder in sich zusammen und umklammerte mit der rechten Hand ihre linke Schulter. Das Gelenk war eindeutig wieder aus der Pfanne gesprungen und der Arm stand in einem ungesunden Winkel von ihrem Körper ab. Doch die Schmerzen wurden nebensächlich als sie die Macht spürte, die sie auf einmal erfüllte. Aqua selbst rief sie zu sich und sie musste folgen, es gab kein zurück. Ohne weitere Worte deutete sie, die Lippen fest aufeinander gepresst, nach Westen und taumelte ein paar Schritte in diese Richtung. Die Nyame stützte sie und sie spürte wie es ihr augenblicklich weniger Schmerzen bereitet mit der ausgekugelten Schulter über abgebrochene Äste und unebenen Waldboden zu stolpern. Langsam näherten sie sich dem See und das Ziehen in ihr wurde immer schwächer. Hier am See war es – natürlich. Wo sonst sollte sich ein Stück von Aqua selbst am ehesten aufhalten?

Mit etwas Hilfe kniete sie am Ufer nieder und streckte zitternd die Hand in das Wasser. Sie vertraute Aqua, doch bis jetzt war sie ihm nur einmal so nahe gewesen und schon damals hatte sie die Begegnung berauscht. Ein weiteres Element in ihrem großen Gefühlschaos wollte sie nicht. Aber sie hatte keine Wahl. Der Wunsch ihm noch einmal zu begegnen war größer als die vernünftige, mahnende Stimme in ihr, die ihr sagte, dass dies nicht der rechte Zeitpunkt dafür wäre. Als Miriel das Wasser berührte breitete sich ein glückliches Lächeln auf ihrem blassen Gesicht aus. Gavin, der neben ihr stand, bereit sie jederzeit zu stützen, staunte als er dieses Lächeln sah. So glücklich hatte er sie noch nie gesehen. Ihre Augen strahlten und es kehrte ein wenig Farbe in ihre Wangen zurück. „Die Kiste ist im See.“ hauchte sie Síobhan leise zu. Ihre Hand im Wasser wurde von mehreren Fischen umschwommen und vorsichtig griff sie nach dem kleinsten von ihnen und streichelte ihm sanft über den Rücken. Entschlossen richtete sie sich auf.

„Síobhan, ich werde das Stück Aquas finden. Kümmere du dich ruhig um den Teil Aeris. Ich schaffe das schon alleine und werde dir die Kiste dann bringen.“ Aus Miriels Stimme klang kein Zweifel und die Nyame des Westens umarmte die junge Heilerin kurz ehe sie sich mit ihrem Gefolge auf den Weg machte. Miriel und Gavin kehrten in die Stadt zurück, um die Kleidung zu wechseln und den Linesti Taoelavichi als stützendes Element auch an den See zu bitten. Thyria, hilfsbereit wie immer, rückte Miriels Schulter fachkundig wieder an ihren Platz.
Zu dritt, Miriel, Gavin und Taoelavichi, standen sie schließlich wieder am Ufer des Sees. Die Ringsprecherin ließ sich an der Hand des Linesti langsam in das Wasser gleiten und hielt die Luft an. Doch das Wasser war alles andere als kalt. Warm und seidig umspülte es ihren Körper und schien sie wie von selbst in die Mitte des Sees zu ziehen. Dort schwamm, umgeben von einem Schwarm von Fischen, die Kiste mit den Symbolen Aquas auf sie zu. Glücklich umarmte sie diese und spürte die Präsenz des mächtigen Elementes wie einen wärmenden Mantel um sich. Am Ufer angekommen wrang sie ihre Haare aus und erwiderte das beeindruckte und erfreute Lächeln des Linesti.

Die Kiste erwies sich im Laufe des Tages als ein größeres Problem. Nach dem Zusammentragen aller restlichen Kisten mussten sie geöffnet werden. Miriels sollte die erste sein und vor den Toren der Stadt öffnete sie, voller Vertrauen, das Schloss. Der Inhalt war zugleich erschreckend als auch erfreulich. Eine kleine, schimmernde Kugel lag darin und drei riesige Blutegel. Diese verließen mit hoher Geschwindigkeit die Kiste. Zwei verbissen sich in die Hälse von Farienn, der Neshes Ree Anwärterin des Westens und dem Drowmagier Vel’Inthull. Den dritten konnte Gavin mit einem beherzten Sprung und vollem Körpereinsatz unter sich begraben und schließlich töten. Miriel versuchte Vel’Inthull, den sie schon länger kannte, als auch Farienn Mut zu machen. Sie selbst hatte genug Vertrauen in Aqua, um daran zu glauben, dass er so etwas nicht ohne Grund tat. Doch die beiden Gebissenen waren anderer Meinung.
Die Blutegel wurden zu Forschungszwecken unter dem Ring der Heiler, den Drowalchemisten und den Kreaturenforschern aufgeteilt. Die Nachforschungen ergaben, dass diese Egel das Blut der beiden gesaugt und im Austausch dafür ihre Brut, in Form von Eiern, in sie gegeben hatten. Was die Laune der Gebissenen nicht gerade steigerte.

Doch die Probleme nahmen damit noch kein Ende. Leomir erbat Miriel zu einem kurzen Gespräch zu sich und legte ihre eine Bitte vor. Er bat sie an dem Ritual zur Weihung dreier Waffen teilzunehmen und sie sah sich außer Stande ihm diese Bitte auszuschlagen. Die drei Schwerter sollten Aeris geweiht werden und der Part der jungen Heilerin sollte es sein Aqua anzurufen und ihn zu bitten aus den Klingen zu weichen, um nur noch seiner Schwester Aeris darin Platz zu lassen.
Immer noch leicht entrückt von der Begegnung mit dem Element selbst stimmte sie zu. Doch das Ritual verlangte ein persönliches Opfer ihrerseits für Aqua um ihn aus der Klinge weichen zu lassen. Nicht nur, dass dies ihr erstes Ritual sein sollte, sie brauchte auch noch eine Art persönliche Gabe, die sie ihrem Element darbieten sollte. Verzweifelte wandte sie sich an Maedhbh, Priesterin und die Schwester Síobhans. Diese und auch Talogon, Wassermagier aus dem Hofstaat des Archons des Ostens, als auch Sambar, ein Freund Síobhans versuchten ihr über die Angst vor dem Ritual hinwegzuhelfen. Doch ihre Nervosität steigerte sich eher als dass sie durch die beruhigenden Worte ihrer Freunde sank. Der Tag neigte sich dem Ende zu und die Zeit wurde knapp. Miriel wurde immer schwerer ums Herz, aus Angst ihr Element nicht würdig vertreten zu können. Mittlerweile hatte sich auch Frey zu der Runde gesellt und still den verschiedenen Ausführungen der ritualerfahrenen Menschen gelauscht. Er tippte ihr auf die Schulter und forderte sie mit leiser Stimme auf ihm zu folgen. Etwas abseits der Bleibe der Nyame blieb er im leichten Dämmerlicht stehen und drehte sich zu ihr um. Seine Stimme klang rau und ein wenig unbeholfen als er nach einem tiefen Atemzug zu sprechen ansetzte.


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"Wir sind nicht die Heiler, die ihr sucht!"
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Miriel
Geschrieben am: Jun 23 2008, 03:19 PM
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„Miriel, ich weiß, dass ich das hier schon viel früher hätte tun sollen.“ Mit einem großen Schritt auf sie zu schloss er die Ringsprecherin in seine Arme und drückte sie sanft an sich. „Es tut mir leid, was oben im Norden geschehen ist. Es tut mir leid, dass du Heiler, Freunde verloren hast und soviel ertragen musstest.“
Ein leichtes Zittern durchlief ihren Körper und es fühlte sich an als würde der riesige Knoten aus Angst, Trauer und Selbstvorwürfen mit einem großen Knall zerplatzen. Tränen schossen ihr in die Augen und liefen ungehindert ihre Wangen hinab. Miriel schloss die Augen und umarmte Frey fest. Sie hatte sich so sehr jemanden gewünscht, der genau das zu ihr sagte und sich gleichzeitig vor eben diesem Moment gefürchtet. Die Verzweiflung brach in Form von einem halben Sturzbach aus Tränen aus ihr heraus und es dauerte eine Weile bis das Schluchzen nachließ und sie sich soweit gefangen hatte, dass sie wieder sprechen konnte.
„Du kannst dir gar nicht vorstellen wie schlimm es war. Wirklich, ich...ich habe so etwas noch nie gesehen. Es tut so weh.“ Die Worte kamen nur stockend über ihre Lippen. Vorsichtig drückte Frey sie ein wenig von sich weg und blickte ihr in die Augen.
„Ich weiß und es tut mir leid. Aber lass mich dir eins sagen: Es wird wieder geschehen und du wirst dich wieder schlecht fühlen.“
„Ich will das nicht mehr...ich weiß nicht, wie ich das aushalten soll.“ Schluchzend holte sie Luft und sprach schnell weiter, als hätte sie Angst, dass sie sonst die Kraft oder der Mut verlassen könnte.
„Die Heiler, ich habe sie in die Schlacht geführt. Die sechs mit denen ich unterwegs war sind mir in die Schlachtreihen gefolgt, um die Schwerverwundeten zu bergen. Ich...ich habe mich mit ihnen zu weit vorgewagt und dann kam das Schwarze Eis. Sie waren so viele und die Schlachtreihe vor uns brach einfach zusammen. Auf einmal standen wir ganz vorne und niemand war dort, der uns noch beschützen konnte.“ Miriels Augen waren starr auf einen Punkt hinter Frey gerichtet, unfähig sich von diesem zu lösen während sie leise weitersprach. „Sie sind vor meinen Augen gestorben. Alle. Auf einen Schlag. Ich habe versucht sie zu schützen, doch ein Kriegshammer hat mich an der Schulter getroffen und ich habe das Bewusstsein verloren. Ich...konnte nichts tun. Gar nichts.“ Ihre Augen lösten sich von dem imaginären Punkt hinter Frey und sie blickte ihn an. „Ich will nicht, dass so etwas wieder geschieht.“
Ohne ein weiteres Wort nahm Frey sie noch einmal in den Arm und drückte sie tröstend an sich. Sie presste die Lider fest zusammen, um zu verhindern, dass noch mehr Tränen flossen.
„Siehst du Miriel. Du hast nach einem Opfer für Aqua gesucht. Dabei hast du es im Prinzip schon geleistet und wirst es wieder tun. Wenn du im Ritualkreis stehst, dann erzähl ihm doch einfach davon. Ich bin mir sicher, dass er es anerkennen wird.“ murmelte er ihr zu und drückte sie noch einmal kurz. Mit einem traurigen, aber dennoch dankbaren Lächeln nickte sie ihm zu und kehrte zusammen mit ihm an den Tisch der Nyame zurück.

Das Ritual selbst verlief ganz anders als alle, auch Leomir, es geplant hatten. Miriels Nervosität hatte sich erst gelegt, als sie im Ritualkreis an ihrem Platz stand und Síobhan und Talogon ihr Mut gemacht hatten. Als das Ritual begann konnte sie langsam aber sicher die Präsenz ihres Elementes fühlen, welche immer stärker wurde. Die Schale mit Wasser in ihren Händen vibrierte als sie die Worte der Anrufung sprach und ihr wurde warm ums Herz. Aqua war bei ihr und das war momentan das einzig wichtige. Sie spürte wie er ihr Opfer annahm, sich aus der Klinge zurückzog und ihre Bitte somit akzeptierte. Die sphärischen Klingen waren erschaffen, doch gleichzeitig mit den letzten Worten von Klais Windbringer erhob sich hinter Síobhan ein bleiches Wesen, welches von niemandem aufgehalten werden konnte. Ein Nophobos der Leere. Er stahl der Nyame des Westens ihre Krone und ließ alle in Verwirrung und Angst zurück. Miriel brach es beinahe das Herz als sie Síobhan weinend zu Boden gehen sah. Tröstend legte sie den Arm um sie und versuchte ihr Mut zu machen. Die Krone war verschwunden, niemand wusste was zu tun war. Hoffnungslosigkeit und Verwirrung machten sich breit.

Frey und Gavin traten an ihre Seite und zu dritt machten sie sich auf den Weg zurück zu ihrer Bleibe am anderen Ende von Steinbrück. Ihr Kopf fühlte sich an als wäre er in Watte gepackt und sie hörte nur die Hälfte von dem, was Frey und Gavin miteinander sprachen. Als Frey das Ring der Heiler Banner erwähnte schluckte Miriel hart.
Nachdem was in letzter Zeit alles geschehen war erschien ihr die Tatsache, dass das Banner momentan in den Händen des Chaosarchons lag als so banal, dass sie nicht anders konnte als Frey endlich die Wahrheit mitzuteilen. Sie stoppte kurz nach den Toren der Stadt vor dem Feld der Arena und hielt Frey am Arm zurück.
„Frey, wo wir schon bei schlechten Nachrichten sind. Es gibt noch etwas, dass ich dir mitteilen muss.“ Der Ringsprecher musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Du weißt ja, dass das Banner im Norden im Kampf gegen die Antielemente gewirkt hat. Ich...habe dir etwas in diesem Zusammenhang verschwiegen und es tut mir leid. Ich habe das Banner in die Hände von Lord Elkantar und Kashalee gegeben. Ich...“
„Du hast WAS getan?“ Freys fragender Gesichtsausdruck veränderte sich und er blickte sie wütend und fassungslos zugleich an. „Du hast dem CHAOSARCHON unser geheiligtes, von allen Elementen gesegnetes Banner in die Hände gespielt?! Bist du noch ganz bei Trost?“ Miriel zuckte zurück. Aus irgendeinem Grund hatte sie nicht mit so einer heftigen Reaktion gerechnet. Bis jetzt war ihr noch nie aufgefallen wie wichtig auch Frey anscheinend das Banner war. Ohne ein weiteres Wort drehte der Heiler sich um und stapfte wutschnaubend über den Arenaplatz. Sie versuchte ihn einzuholen und rief immer wieder seinen Namen, doch er reagierte nicht auf sie. Erst zwei Straßen vor ihrem Haus hatte sie ihn soweit, dass er stehen blieb und sie wieder ansah.
„Ich bitte dich, lass mich erklären, warum ich das getan habe.“ Ihre Stimme klang so verzweifelt, dass Frey sich dazu durchzuringen schien ihr zuzuhören.
„Luran war dagegen, dass ich das Banner aus der Hand gebe. Aber...ich weiß, das klingt seltsam. Ich vertraue den beiden Exzellenzen. Bitte warte, ich erkläre dir warum. Der Norden ist nicht das, was er zu sein scheint. Den Menschen dort oben geht es gut, Archon und Nyame herrschen gerecht und kümmern sich um ihr Volk. Und vor allem sind sie, genau wie wir, Diener der Elemente. Ich wusste wie groß die Gefahr im Norden sein würde. Es war klar, dass sie alle Hilfe benötigen würden, die sie bekommen können. Also gab ich ihnen das Banner. Und der Ausgang der Schlacht gibt mir Recht. Wäre unser Banner nicht gewesen, dann wären noch mehr gestorben. Ich weiß, dass du wütend auf mich bist, aber bitte versuche zu verstehen...“
Frey schüttelte mit mühsam unterdrücktem Zorn den Kopf. „Du kannst so froh sein, dass du mir das erst jetzt erzählst und dass du es bist, die es mir berichtet. Jeder anderen Person hätte ich den Hals umgedreht. Ich muss über das was du mir gerade erzählt hast nachdenken. Aber dir sollte klar sein, dass ich verdammt noch mal wütend auf dich bin.“ Er ließ sie ein weiteres Mal einfach auf offener Straße stehen und sie sah ihm traurig nach, wie er in der Dunkelheit verschwand.

Auch der nächste Tag begann eher düster. Síobhan bat Miriel in einem Ritual am See noch einmal Kontakt zu Aqua aufzunehmen, um sicher zu stellen, dass die Blutegel den beiden Opfern nichts böses antun wollten. Die Antwort, die sie erhielt war alles andere als vergnüglich. Händeringend versuchte sie Farienn und Vel’Inthull klarzumachen, dass es Geschöpfe Aquas waren, die nichts böses wollten. Dennoch, die Eier, die sie gelegt hatten würden die beiden über kurz oder lang töten. Aqua hatte ihr unmissverständlich klar gemacht, dass die Eier weder durch Magie noch durch Alchemie aus dem Körper zu kriegen waren. Hier war das einzig wahre Handwerk, die Heilkunst, gefragt. In einer nicht ganz ungefährlichen Operation entfernten Frey, der sich mittlerweile wieder einigermaßen beruhigt hatte und Miriel nicht mehr nur böse anstarrte, Thyria und sie selbst die Egeleier aus den Patienten. Glücklicherweise hatten sich diese kurz über dem Schlüsselbein abgelagert, sodass sie leicht zu finden waren. Farienn und Vel’Inthull ging es bald danach wieder gut und so fiel auch „Aquas Segen“, wie sie die Egeleier spöttisch nannten, von ihnen ab.

Frey drängte sie am Abend vor der Abreise dazu ihn zu Lord Elkantar zu führen, um das Banner wiederzuerlangen. Dank der Heilung Vel’Inthulls konnte dieser eine schnelle Audienz beim Archon des Nördlichen Siegels arrangieren. Auf dem Weg zum Audienzzelt beobachtete Miriel Frey verstohlen. Er machte einen nervösen, aber einigermaßen gefassten Eindruck. Viel gefasster und ruhiger als sie auf ihrem ersten Gang zu der Unterredung mit Lord Elkantar. Als sie das große Lager der Drow und des Chaos vor den Toren der Stadt betraten war sie erfreut einige bekannte Gesichter zu erspähen. Ulrich von Hochkamern lief ihr über den Weg, genauso wie eine seiner beiden Wachen. Vel’Inthull führte sie bis vor das große Audienzzelt und ließ sie dann gemeinsam eintreten. Der Archon des Nördlichen Siegels saß auf einem großen Thron und beobachtete ihr Erscheinen ruhig. Zumindest glaubte Miriel das, denn durch die alles verdeckende Maske war dieser Mann kaum einzuschätzen. Wie es die Gesetze des Nördlichen Siegels befahlen knieten Frey und auch Miriel vor dem Archon nieder und hielten den Blick gesenkt. Der Archon begrüßte sie mit knappen, aber durchaus freundlichen Worten und Miriel ergriff nach einem kurzen Seitenblick auf Frey das Wort. Jetzt war es an ihr stark zu und ihm eine Stütze zu sein. Sie wusste wie furchteinflößend Elkantar auf andere wirkte und musste selber einen Moment inne halten, um die Befangenheit vor dem Sprechen abzulegen. Ihr war klar, dass er ihr nichts Böses tun würde und auch nicht wollte. Dennoch, das Chaos war das Chaos und sie konnte sich immer noch nicht recht daran gewöhnen, dass sie hier auf Mitraspera Verbündete waren.
„Eure Exzellenz, ich bitte Euch um etwas, dass Ihr mir zurückgeben wolltet. Das Banner vom Ring der Heiler, welches ich in Eure Hände gab, um Euch zu unterstützen. Ich bitte Euch inständig es mir wieder auszuhändigen, damit meine Heiler unter seinem Schutz ihrem Werk nachgehen können.“ Miriel wagte es nicht aufzublicken, aber in ihrer Stimme lag eine solche Inbrunst, dass Frey ihr unauffällig zunickte.
Lord Elkantar lehnte sich auf seinem Thron zurück und schien einen Moment zu überlegen ehe er die Stimme erhob.
„Natürlich bekommt Ihr Euer Banner wieder, wenn Ihr es so dringend selbst benötigt. Ich versprach es Euch und werde dieses Versprechen nicht brechen.“ Mit einem kurzen Wink der Hand forderte er einen seiner Diener auf das Banner zu holen und sprach dann langsam weiter.
„Ich möchte Euch meinen Dank aussprechen Miriel und auch Euch Frey Thomasson. Das Banner war uns bis jetzt eine große Hilfe und auch Ihr und Eure Heiler. Wir hoffen auf weitere Unterstützung bei der Belagerung der Festung am Fuße des Berges Aeris. Als Dank dafür bin ich bereit Euch zwei Fragen zu gewähren, die ich ehrlich beantworten werde.“
Ungläubig blickte Miriel auf ihre ineinander verflochtenen Hände und dachte angestrengt nach. Die Stille wurde unterbrochen von Elkantars Diener, der ihr das Banner aushändigte. Glücklich nahm sie es entgegen und drückte es kurz an sich nachdem sie nach Freys Hand gegriffen und diese ebenfalls gedrückt hatte. Dieser war es schließlich auch, der die Stille brach und die erste Frage stellte. Der Antwort lauschend dachte die Ringsprecherin darüber nach, was sie den Archon fragen wollte und kam immer wieder nur auf die eine Frage. Allen Mut zusammennehmend hob sie die Augen vom Boden und blickte dem Chaosarchon direkt ins Gesicht. „Was denkt Ihr von uns, Lord Elkantar? Das ist es, was mich interessiert.“
Die Antwort hatte sie gleichzeitig ruhiger aber auch nachdenklich gestimmt. Das daraus resultierende Wissen war nur für sie und Frey bestimmt und musste zwischen ihnen gehütet werden wie ein Schatz. Erleichtert verließ sie kurz danach das Zelt des Archons und machte sich zusammen mit Frey und Gavin, der wie immer auf sie gewartet hatte, auf den Weg zurück in die Stadt.

Kurz vor den Toren war ihnen der Linesti Schwertmeister Taoelavichi begegnet und hatte sie um eine Unterredung gebeten. Nachdem sich sowohl Miriel als auch Frey gesetzt hatten zog der Linesti eine Papiertüte aus seiner Gürteltasche und lächelte das Ringsprecherpaar feierlich an. Miriel wusste nicht, was sie erwartete, doch sie spürte, dass es etwas Großes sein würde. Taoelavichi räusperte sich kurz und übergab ihr dann die Tüte. Sie öffnete sie und fand darin eine faustgroße Menge einer getrockneten und ihr völlig unbekannten Pflanze vor. Mit einem fragenden Gesichtsausdruck blickte sie zu dem Schwertmeister auf, der darauf nur gewartet zu haben schien.
„Ringsprecherin Miriel o Golwen, Ringsprecher Frey Thomasson, als Dank dafür, dass ihr meinen Freund Merrodias unter St. Georg so treue Weggefährten gewesen seid, alles getan habt, um seinen Tod zu verhindern und das tut, was Aquas Wille ist möchte ich Euch dies überreichen. Das hier ist Turan-Et, die heilige Pflanze meines Volkes. Auch wir Linesti sind vor der Pestilenz nicht zur Gänze gefeit und müssen uns schützen. Wenn ein Agent der Pestilenz einen der unseren zu sich ruft und ihn auf seine Seite zieht, dann hilft ein Aufguss dieser Pflanze, um ihn wieder zu einem von unseren werden zu lassen. Der Linesti muss dann zwar sein ganzes Leben lang jeden Morgen einen Turan-Et Tee trinken, ist dafür aber vor den Ränken der Pestilenz sicher. Seit Jahrhunderten von Jahren, vielleicht aber auch seit Anbeginn der Zeit, seid Ihr nun die beiden Menschen, die als erste etwas von dieser heiligen Pflanze von einem Linesti überreicht bekommen. Ich sehe, dass Aqua wohlwollend und schützend die Hand über Euch und Euer Werk hält und bin selber voller Freude darüber. Nutzt dieses Geschenk weise.“
Sowohl Miriel als auch Frey blickten den Mann aus dem Volk Aquas voller Verwunderung an. Beide wussten nicht, wie sie auf dieses Geschenk reagieren sollten. Die große Ehre und die Bedeutung hinter diesem kleinen Papiertütchen machten sie beide sprachlos. Leicht stotternd und verwirrt bedankten sie sich schließlich bei Taoelavichi und strahlten sich, nachdem der Linesti außer Sichtweise war, an. In Freys Augen las sie den gleichen Unglauben über das gerade Geschehene und Miriel konnte nicht anders als lachen. Dieses Lachen befreite sie für einen Moment und sie fühlte sich fast so glücklich wie vor ihrer Reise in den Norden. Auch Frey machte einen fröhlichen Eindruck und beide beschleunigten ihre Schritte, um möglichst schnell auch Thyria diese frohe Kunde mitzuteilen.

Der letzte Abend in Steinbrück hätte wundervoll werden können. Doch das Feuer, die Gesichter ihrer liebgewonnenen Freunde und die Gewissheit, dass es am nächsten Morgen zurück in den Norden gehen würde machten Miriel traurig. Alle um sie herum sangen, tranken und feierten das Konzil. Sie selbst starrte müde in das Feuer und nagte ohne rechten Hunger an ihrem Maiskolben. Freys Blick lag mehrmals an diesem Abend auf ihr und irgendwann wurde es ihr zuviel und sie verließ ohne ein weiteres Wort die Feuerstelle. Die Schritte hinter sich ignorierend durchquerte sie zwei Gassen und blieb dann müde und niedergeschlagen auf einem kleinen Platz stehen. Frey näherte sich ihr und blickte sie ernst an.
„Ich gehe für dich in den Norden. Das, was dich da oben erwartet kannst du nicht mehr bewältigen.“
Miriel blickte ihn scharf an und schüttelte bestimmt den Kopf. „Niemals. Du bleibst in der Akademie. Dort brauchen sie dich und ich werde wieder zurückgehen. Alleine.“
„Das ist doch verrückt, Miriel. Du gehst dort oben kaputt, das merkst du doch selbst. Warum lässt du nicht zu, dass ich dir diese Last abnehme? Ich kann damit umgehen Freunde im Krieg zu verlieren. Lass mich an deiner statt gehen.“
„Nein, auf gar keinen Fall. Du bleibst in der Akademie, egal was du noch sagst.“
„Sei vernünftig. Lass uns zusammen in den Norden reisen, damit ich dir helfen kann. In der Akademie fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich brauche Abwechslung und du brauchst Beistand. Wo also ist das Problem?“
Miriel stieß zornig die Luft aus und trat einen Schritt näher an ihn heran bevor sie mit unterdrückter Wut weitersprach.
„Wo das Problem liegt?! Ich weiß doch, was mit dir im Krieg passiert. Du nimmst deine kleinen weißen Pillen, weil der Krieg dich innerlich zerreißt. Und dann mache ich mir Sorgen um dich, weil ich weiß, dass ich dich verlieren kann. Ich will, dass du in der Akademie bleibst, in Sicherheit. Ich will dich nicht verlieren, weil du mir wichtig bist Frey.“
Wie schon so oft hier in Steinbrück füllten sich ihre Augen mit Tränen und sie fuhr sich unwillig mit dem Handrücken über die Augen.
„Und du bist mir wichtig. Ich will nicht, dass du alleine in den Norden gehst und dort oben an den Verlusten die noch kommen werden zerbrichst. Also stehen wir vor einem Dilemma.“ Die Tatsache, dass sie ihn das erste Mal offen auf seine augenscheinliche Abhängigkeit ansprach ignorierte er einfach und sprach beschwörend weiter auf sie ein.
„Lass mich mit dir gehen. Ich werde dir helfen das alles zu überstehen, glaub mir.“
Die junge Heilerin schüttelte den Kopf und kurz sah es so aus, als würde sie dem Drang die Hände auf die Ohren zu pressen wie ein kleines Kind kaum wiederstehen können. Mit einem leisen Schluchzen wandte sie sich von ihm ab und rannte den Weg zurück zum Feuer, zu ihren Freunden und dem letzten Stück Frieden, dass sie für die nächsten Wochen sehen würde.

Erst am nächsten Morgen hatte sie eine Entscheidung gefällt und war, kurz vor der Abreise, noch einmal zu Frey gegangen. Blass und übernächtigt hatte sie angeklopft und sich durch die halb geöffnete Tür gedrückt. Er saß an einem niedrigen Tisch und schrieb wütend etwas in ein ledergebundenes Buch, welches er mit Nachdruck zuknallte als er ihre Anwesenheit bemerkte. Der Blick der sie traf war finster und sie fühlte sich wie eine seiner Heilerschülerinnen, die einen Patienten falsch versorgt hatte. Die Hände ineinander verschränkt trat sie noch einen Schritt näher und biss sich nervös auf die Unterlippe.
„Ich...ich möchte dir etwas sagen.“ Sie stockte kurz und fuhr dann mit etwas lauterer Stimme fort. „Das, was ich gestern Abend zu dir gesagt habe war nicht sonderlich nett. Doch du musst verstehen, dass ich furchtbare Angst um dich habe. Ich sehe doch, dass du bei jeder unserer Begegnungen immer schlechter aussiehst. Ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll oder ob ich das überhaupt kann. Der Krieg im Norden wird dir nicht gut tun, aber ich kann auch nicht ohne dich dorthin zurückkehren. Ich glaube nicht, dass ich es alleine schaffen werde. Ja, ich brauche deine Hilfe und deinen Zuspruch. Also bitte ich dich, obwohl mein Herz dagegenspricht, mit mir zu kommen.“
Freys Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln und er umarmte sie kurz. „Ich komme mit dir und werde auf dich aufpassen, ob du willst oder nicht. Du wirst nicht noch einmal verwundet am Boden liegen, das verspreche ich dir.“

Miriel seufzte und hob den Blick vom Hals ihres Pferdes. Die Straße war zu einem schmalen Weg geworden, der durch eine Allee mächtiger Eichen führte. Neben ihr ritt Frey und blickte sie nachdenklich an. Sie erwiderte seinen Blick mit einem schmalen Lächeln und schätzte die Zeit am Stand der hellen Sommersonne ab. „Zeit für eine Rast, findet ihr nicht auch?“ beschloss sie laut und zügelte ihr Pferd. „Bis zum Gasthaus ist es noch ein ganzes Stück und ich bin sicher nicht die einzige, die Hunger hat.“ Die Heilerin ließ sich vom Pferderücken gleiten und breitete ihr rotes Schultertuch auf dem weichen Gras aus, genau unter dem Schatten einer der großen Eichen. „Kommt. Die letzten Tage hier im Osten sollten wir genießen. Wer weiß, wie es uns im Norden ergehen wird...“



Bearbeitet von Miriel am Jul 4 2008, 08:10 AM


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Chris
Geschrieben am: Jul 3 2008, 06:45 PM
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Ersthelfer


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Gavin saß auf seinem Pferd, als die Tore Steinbrücks hinter ihm im Staub den die Pferde aufwarfen verschwand. Miriel ritt leicht versetzt vor ihm neben Frey und schien ihren eigenen Gedanken nachzugehen. Während eine laue Frühsommerbrise verspielt durch sein langes offenes Haar fuhr, schweiften seine Gedanken langsam ab und kehrten zu dem Zeitpunkt zurück, als sie aufeinander getroffen waren und sie ihn mürrisch als ihren Begleiter, Diener und Leibwächter akzeptiert hatte, weil sie mit ihrer ausgerenkten Schulter allein kaum zurecht kam. Er hatte stillschweigend ihre Launen über sich ergehen lassen und ihr in den ersten Tagen zur Seite gestanden. Brayannes wohlwollende Worte und gutes Zureden hatten dazu geführt, dass sie ihn bei sich behalten hatte. Doch dann sollte es in den Osten gehen, nach Steinbrück und Miriel hatte ihn das erste mal in seinem Leben vor ein Pferd gestellt. Unbeholfen hatte er versucht sich darauf zu schwingen, sich festzuhalten, und keine Belastung für die Ringsprecherin zu sein, aber so ganz hatte es nicht klappen wollen.
Nach vielen hundert Meilen Ritt verstand er sich nun auf den Umgang mit dem Pferd, wusste welcher Schenkeldruck das erwünschte Ergebnis brachte und wann es galt dem Tier ein Leckerli und Streicheleinheiten zu geben. Innerlich grinste er bei der Vorstellung dass das jemanden bei den Reittieren seiner Heimat versuchen könnte.

Aus seiner Sicht war ihm Miriel eine freundliche, wenn auch manchmal etwas unsichere und zaudernde Herrin gewesen. Einige Dinge, die er von ihr mitbekommen hatte, würde er hier niemandem erzählen.
Er hatte die Zeit in Steinbrück genossen. Weitab vom Krieg im Norden, von Schmerz und Leid. Jetzt würde alles wieder über ihn kommen. Miriel hatte deutlich gemacht, dass sie seiner nicht mehr bedurfte. Ihr Arm war wieder eingerenkt und in Begleitung von Frey ging es ihr gut und fühlte sie sich sicher. Ihr seltsames Verhältnis aus karger Akzeptanz, bitterem Streit und freundschaftlicher Liebe würde ihm nie so richtig eingehen.
Er machte sich ernsthaft Gedanken, welchen Weg er nehmen sollte. Der Dienst an der Waffe war sein Geschäft. Er hatte ein ganzes Leben damit verbracht ein Krieger zu sein. Doch nun durchlief ihn ein gewisses Schaudern beim Gedanken an das Schlachtfeld. Wenn ihn etwas berührt hatte, in seiner Zeit mit Miriel, dann ihre große Akzeptanz des Lebens, seine Wertschätzung und all die Emotionen die damit verbunden waren.
Ihre Art zu leben war ihm nicht vergönnt. Sie war eine Adlige des Östlichen Siegels, das würde er nie erreichen, geschweige denn, dass er das wollte. Aber was sie mit ihrer Offenheit, Freundlichkeit und Freigibigkeit erreichte, die Freundschaften die sie knüpfte und die Offenheit die sie erntete, waren etwas neues für ihn. Er selbst war immer eher ein Einzelgänger gewesen, sein Inneres verschlossen für alle anderen. Niemand hatte je etwas über seine Gefühle und Emotionen erfahren. Sein Herz war ein Klumpen Granit. Und doch hatte er gesehen, welche Erleichterung es brachte manchmal darüber zu reden, sich alles von der Seele fallen zu lassen. Er nahm sich innerlich vor dieses Gefühl mit sich zu nehmen und daraus zu lernen.

Er hatte durch Miriel Eintritt in eine Gesellschaft erhalten und Leute kennengelernt, hatte so etwas wie Freundlichkeit und Verständnis für sich selbst erfahren. Ihm gegenüber hatte jemand ein Lächeln gezeigt, ihm aufmunternde Worte zukommen lassen. Emotionen die ihm fremd gewesen waren. Da war Leomir Greifenkind, der Neches'Re des Ostens gewesen, der ihm Dank ausgesprochen hatte für den Schutz den er Miriel gab. Siobhan, die Nyame des Westens, die mit ihren eigenen Händen ihn gestützt und bei seiner Heilung geholfen hatte. Ihr Leibwächter, der ihn als einen Bruder im Geiste anerkannt hatte. Innerlich lächelte er bei dem Gedanken an dieses Gespräch. Er hatte mit Klais Windbringer geredet, mit den Kelten im freundschaftlichen Übungskampf die Klinge gekreuzt und Taoelavi Chi einen Linesti getroffen, der ihm versprochen hatte einige Kampfübungen des Wasservolkes zu zeigen...

"... vin, Gavin?! GAVIN!!!" Er schreckte aus seinen Gedanken auf, und wandte sich Miriel zu, die ihn etwas böse musterte. "Wir wollen hier eine Rast einlegen." Und mit einem süffisanten, aber nettgemeintem Grinsen, fügte sie hinzu "... etwas dagegen?"

Er ertappte sich dabei zu lächeln. Ja sein Leben hatte sich verändert. Manchmal geschah so etwas. Die Zukunft würde zeigen, welche Bedeutung das hatte.
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Frey Thomasson
Geschrieben am: Jul 23 2008, 08:47 PM
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Als Frey und Miriel am frühen Nachmittag in der Akademie ankamen, verschwendeten sie keine Zeit mit langem Palaver. "Ich bin eigentlich garnicht hier," meinte Frey knapp zu einem Bittsteller, der am Tor wartete und verwies ihn auf seinem Stellvertreter.
Dann ging er sofort los, um den Trupp zu organisieren, der mit ihnen in den Norden ziehen sollte. Er bestand nur aus Freiwilligen, Niemand wurde gezwungen oder verpflichtet, dennoch fanden sich fast 60 Heiler, die mit ihnen ziehen wollten.
Den ganzen weiteren Tag stellten die Vorbereitungen die Akademie auf den Kopf

Der Unterricht fiel komplett flach und die meisten Heiler packten mit an, damit der Trupp für den Norden möglichst schnell und reibungslos die Akademie verlassen konnte. Miriel verschwand nach einer kurzen Begrüßung in der großen Halle in ihrem Zimmer und versuchte so schnell wie möglich einiges der liegen gebliebenen Schreiben zu bearbeiten, die Aschure nicht alleine beantworten wollte. Weder sie noch Frey nahmen an den offiziellen Mahlzeiten in der großen Halle statt. Allgemein sah man in den nächsten zwei Tagen äußerst wenig von den beiden Ringsprechern und nicht wenige der Heiler und Heilerschüler waren enttäuscht. Aschure leitete die Geschicke der Akademie zwar mit sicherer und fester Hand, aber dennoch gab es Fragen und Anliegen, die nur Frey und Miriel beantworten konnten.

Dann, am Morgen des dritten Tages brachen sie auf.


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Ich will doch nur frühstücken, verdammt
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Miriel
Geschrieben am: Jul 23 2008, 08:58 PM
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[ Mitte Juni, genaues Datum nicht bekannt. Ort: Feldlager in Isenfels, Nördliches Siegel ]
(Erklärung: Dies hier ist ein IT-Post, den ich ein wenig modifiziert aus dem Forum des nördlichen Siegels hierhin übertragen habe.)

Sonea, eine Fee im Dienste der Nyame des Ostens, hatte gehofft ein bekanntes Gesicht aus Steinbrück erblicken zu können, nachdem jedoch so nicht war, folgte sie dem Hexer in Richtung Front. Nicht weit vom Zeltplatz entfernt kamen ihr einige Heiler vom Ring entgegen, die einen Karren mit sich zogen, auf dem zwei vollgerüstete und blutverschmierte Chaoskrieger lagen. Die Heiler ächzten unter dem Gewicht der beiden Männer, zogen und schoben aber stetig und unverdrossen weiter.
Ungefähr hundert Schritte hinter ihnen eilte eine junge Frau in einem einfachen hellen Leinenkleid und dem Ring der Heiler Symbol am Gürtel über das Feld. Ihre dunkelbraunen Haare hatte sie zu einem unordentlichen Knoten auf dem Hinterkopf zusammengesteckt und ein Tuch darüber gebunden. Ihre Hände und Unterarme waren blutverschmiert. Mit einem Seufzen zog sie das Tuch von ihren Haaren und fing an sich halbherzig zu säubern. Sie machte einen fast zu Tode erschöpften Eindruck und stolperte des öfteren über kleine Unebenheiten am Boden. Als sie kurz aufsah streifte ihr Blick Soneas Gesicht, aber kein Zeichen des Erkennens huschte über ihre Züge.
Sonea blieb abrupt stehen. "Miriel?"

Miriel stutzte und hob den Blick ein zweites Mal. Sie runzelte die Stirn und schien einen Moment nachdenken zu müssen. Ihre Augen blieben am Turban und dann an Soneas Gesicht hängen.
"Sonea? Entschuldige, dass ich Euch nicht sofort erkannt habe." Ein schmales Lächeln erschien auf ihren Lippen und sie überwand die Distanz zwischen den beiden und neigte leicht den Kopf zur Begrüßung.
"Ich würde Euch ja gerne die Hand reichen, aber das wäre wahrscheinlich weniger in Eurem Interesse. Entschuldigt die Frage, aber was bei allen guten Geistern treibt Euch hier in den Norden an die Front?!"
Die Fee lächelte mild. "Macht Euch keine Gedanken, Ihr ward mit den Gedanken woanders. Und schmutzig werde ich hier eh werden." Sie verneigte sich ebenfalls und zeigte dann auf den sich entfernenden Karren. "In diese Richtung? Kommt, ich begleite Euch. Ihr seht aus als hättet Ihr seit Tagen nicht geschlafen!“ Sie wichen gemeinsam einem Trupp in die Schlacht ziehenden und dabei wild schreienden und sich gegenseitig schubsenden Chaoskriegern weitläufig aus. „Was mich hierher treibt? Ich denke hier wird jede Hand gebraucht Miriel, und meine waren gerade frei. Also habe ich Tiara gefrag,t ob ich hier helfen darf. Ich bin eben erst angekommen und versuche mir noch ein Bild von der Lage zu machen. Kann ich Euch helfen?"
Nebeneinander hergehend näherten sich die beiden Frauen wieder dem Lager. Miriel hörte Soneas Ausführungen aufmerksam zu und nickte dann kurz. Sie blieb mitten auf dem Feld stehen, bedeutete Sonea zu warten und begann in ihrer großen Umhängetasche zu wühlen. Nach einigen Augenblicken zog sie einen leicht verknitterten Gürtelwimpel hervor und reichte ihn ihr.
"Dann seid mir willkommen im Ring, Sonea. Ich weiß momentan noch nicht wo ich Euch am besten einsetzen könnte aber das werden wir ja noch sehen."

Miriel holte tief Luft und blickte Sonea ernst an. "Damit Euch das bewusst ist: Ich gebe Euch diesen Wimpel mit der Bitte, dass Ihr ihn mir beim großen Feldzug gegen das Untote Fleisch wiedergebt. Ihr seid Mitglied auf Zeit hier oben im Norden, und zwar zu Eurem eigenen Schutz. Ich glaube nicht, dass es einige der Dunkelelfen stört, ob Ihr nun eine Fee oder ein Elfe seid. Die langen Ohren werden genug Feindschaft auslösen. In dem Fall wird es gut sein den Wimpel vom Ring zu tragen und durch diesen einigermaßen geschützt zu sein."

Sonea lächelte und deutete auf den Wimpel der Ost Nyame. "Ja, diese Warnung höre ich nicht zum ersten Mal, doch keine Sorge, ich kann damit umgehen. Deswegen auch der Turban, es erspart im Moment vielleicht etwas Ärger." Sie nahm Miriel den Wimpel ab. "Ich werde gut darauf achten und versuche ihm keine Schande zu machen." Damit heftete sie den Wimpel an ihren Gürtel. "Je nachdem wie es aussieht, werde ich zwischen Schlachtreihe und euch pendeln. Ah... wenn mir etwas passieren sollte. Ich weiss, Ihr seid ausgezeichnete Heiler im Ring, jedoch bevorzugt mein Volk die magische Heilung. Ich selbst bin auch nur rudimentär in der mundanen Heilung begabt, aber vielleicht kann ich ja von Euch noch etwas lernen. Darf ich etwas in Eure Obhut geben, für den sehr wahrscheinlichen Fall, dass ich irgendwann die Hilfe des Rings auf diesem Schlachtfeld benötigen werde?"

Miriel hatte den Wimpel der Nyame des Ostens schon früher bemerkt und verkniff sich die etwas harsche Bemerkung, die ihr beinahe über die Lippen gekommen wäre. Hier oben im Norden war sie sich nicht so sicher, ob nicht auch dieser Wimpel eher Feinde als Freunde schuf...
"Ich habe mir schon fast gedacht, dass es Euch auch mit nach vorne an die Front ziehen würde. Aber keine Sorge, da findet Ihr mich auch den größten Teil des Tages. Die Krieger müssen schließlich irgendwie nach hinten kommen und das tun sie meist nicht von alleine. Leider muss ich Euch sagen, dass ich nur ungefähr eine handvoll Heilmagier hier im Hauptlazarett habe, die Euch die gewünschte Heilung geben könnten und ehrlich gesagt bin ich mir ziemlich sicher, dass Ihr viel Glück haben müsstet, um einen von ihnen anzutreffen. Und selbst wenn Ihr einen finden solltet werden seine magischen Kräfte wahrscheinlich schon erschöpft sein...also freundet Euch schon jetzt mit dem Gedanken an mundan geheilt zu werden."

Ihre Worte klangen hart, kalt und nüchtern, doch sie versuchte sie durch ein schmales Lächeln abzumildern. Mit einem energischen Kopfrucken in ihre Richtung marschierte sie weiter Richtung Lager und wühlte erneut in ihrer Umhängetasche.

"Was soll ich denn für Euch aufbewahren? Ich hoffe für Euch, dass es nicht allzu zerbrechlich ist. Sonst hätte ich hier diese kleine Holzkiste." sie zog ein schlichtes, dunkel lasiertes Holzkistchen aus der Tasche und öffnete es. "Findet es darin Platz?"

Die Fee schüttelte den Kopf. "Nein, aber es reicht wenn es bei Euch im Lager untergebracht ist, da wird mehr darauf geachtet als bei mir im Zelt." Sie lächelte. "Ich habe mir fast gedacht, dass ihr keine unerschöpflichen Magiereserven haben werdet Miriel, daher habe ich mir erlaubt mich ein wenig selbst um meine Heilung zu kümmern." Sonea führte Miriel kurz zu ihrem eigenen Zelt und holte eine kleine Holzkiste hervor. Als sie diese öffnete standen dort mehrere Fläschchen Reih an Reih. "Es ist nicht magisch, aber das nächstbeste Äquivalent für mich. Aelfrun, Alchemistin ihrer Excellenz Tiara , hat sie gemacht. Ein kleines, meiner Meinung nach gut angelegtes Vermögen." Die Flaschen unterschieden sich in zwei Arten: Glasfläschen, in denen man den Trank sehen konnte, wobei es nur zwei Farben gab. Und kleine Metallflaschen. Bei den Metallflaschen war ein Band in der jeweiligen Trankfarbe um den Hals geknotet. "Ich werde davon immer mindestens 2 am Körper tragen. Die mit dem grünen Band sind die, die ihr für mich brauchen werdet." Sie deutete auf die Metallfläschchen. "Ich bin hier, um zu helfen, doch ich weiss, dass dies nicht einfach wird Miriel." Sie seufzte leise. "Deswegen möchte ich sowenig ausfallen wie nötig." Sie sah die Heilerin ernst an.

Ein urtiefes Grollen erfüllte das Lager, als die gewaltigen Pranken einer Gruppe ikki-tosen, großer Reitechsen, sich den Weg bahnten. In der Zwischenzeit hatte jeder gelernt, dass man diesen Tieren kompromisslos aus dem Weg ging. Ihre schwergerüsteten kihei hinter dem harten Nackenschild der Tiere blickten grimmig und entschlossen. Hinter jedem Reiter knieten in speziellen Sätteln die daikyu-Schützen und an den Seiten hingen heishis mit Naginatas. Die blau-grünen Flaggen und Uniformen flatterten in der Brise. Links und rechts von den schweren Echsentieren, in gehörigem Abstand, marschierten grün- und schwarzhäutige Orks, an Ketten geführt.

Miriel seufzte und nahm die Schachtel mit den Flaschen an sich. Sie nickte Sonea zu und trat mit ihr aus dem Zelt heraus nach draußen.
"Ich werde die Fläschchen in meinem persönlichen Zelt unterbringen und den Lazarettvorstehern Meldung machen, damit sie genau wissen was sie zu tun haben."

Stirnrunzelnd drückte Miriel Sonea etwas zur Seite, als sie das dröhnende Stampfen der großen Reitechsen vernahm. Schon an ihrem ersten Tag wäre sie beinahe von einem dieser riesigen Tiere über den Haufen geritten worden und nur ein kleiner Sprung zur Seite hatte sie vor dem Zertrampeln gerettet.
"Es wäre das beste, wenn du mir ins Lazarett folgen würdest. Da teile ich dich dann einer Einheit zu. Dort kannst du dann den Tag zusammen mit den anderen Heilern verbringen. Selbstverständlich bist du gerne dazu eingeladen mit ihnen die Mahlzeiten einzunehmen und dein Zelt in unserer unmittelbaren Nähe aufzuschlagen. Wenn du willst kann ich dir ein paar Heiler mitschicken, die dir beim Auf- und Abbauen behilflich sind."
Während Miriel mit Sonea sprach gab sie vorbei kommenden Heilern des Ringes, aber auch des Chaos mit den Händen kurze Anweisungen. Die junge Frau schien das Kommando fest in der Hand zu haben und jeder ihrer Befehle wurde anscheinend ohne zu zögern ausgeführt. In Miriels Augen lag eine Härte, die Sonea vorher bei ihr noch nicht bemerkt hatte. Der Krieg hier oben im Norden schien sie langsam aber sicher zu verändern.

"Ich danke dir sehr für dein Angebot, doch ich würde es vorziehen nicht fest eingeteilt zu werden, da ich beschlossen habe flexibel zu handeln. Das heißt man wird mich sowohl an vorderster Front beim Kämpfen, als auch hinter den Linien beim Heilen finden können. Es ist das, was meiner Ausbildung am ehesten entspricht. Nikutai sind es nicht gewohnt auf Dauer in einer Gruppe zu arbeiten. Außerdem bin ich wohl eine der wenigen nicht Drow hier, die nachts sehen kann, daher werde ich wohl hauptsächlich dann arbeiten." Sie sah zu ihrem Zelt. "Nein lass es hier stehen, es ist der Platz der mir zugewiesen wurde."
Sonea fixierte Miriel und musterte sie offen und eindringlich, wobei in ihren Augen kurz ein schmerzlicher Ausdruck lag. "Miriel... bitte passt auf Euch auf, der Krieg hier beginnt Euch bereits zu verändern. Bewahrt Euch das, was Euch ausmacht tief in Eurem Herzen, denn es ist sehr kostbar. Es wäre unverzeihlich wenn Ihr es verlieren würdet..." Damit strich sie Miriel eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte freundlich. "Wenn es deine Zeit erübrigt würde ich gern das Lazarett sehen und mir dann noch einen Überblick über den Rest des Lagers verschaffen."

Unwillkürlich wich Miriel einen Schritt zurück und hob wie zur Abwehr die Hand. Ein bisher recht unauffälliger Krieger trat halb zwischen die Ringsprecherin und Sonea und räusperte sich vernehmlich.
"Herrin?" Seine Stimme hatte einen wachsamen Unterton und er blickte sie fragend, in der einen Hand einen Dolch haltend, an.
Miriel, die die Lippen so fest aufeinander gepresst hatte, dass diese blass wurden, schüttelte nur abgehackt den Kopf. "Lass nur. Es ist alles in bester Ordnung."
Der Krieger trat von Sonea mit einem höflichen Kopfnicken zurück und baute sich, trotz der beschwichtigenden Worte neben der Ringsprecherin auf.
Miriel musterte sie kühl. "Dieser kleine Zwischenfall tut mir leid, Sonea. Aber ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Außerdem muss ich sagen, dass ich es nicht sehr schätze berührt zu werden und ich dir sehr verbunden wäre dies nicht mehr unvorbereitet zu tun." Sie runzelte die Stirn und blickte Sonea ernst in die Augen.
"Ich kenne den Krieg, und ich weiß, was er mit den Menschen macht. Dass er auch mich verändern würde ist der Preis, den ich zu zahlen bereit bin. Ich habe mich so entschieden und lasse mich in dieser Hinsicht nur mehr als ungern belehren."

Unvermittelt drehte sie ihr den Rücken zu und machte ein paar Schritte in Richtung des Lagers. Erst dann blickte sie sich um, ob Sonea ihr folgte und nickte ihr auffordernd zu. Nach einigen hundert Metern erreichten die beiden das erste Lazarettzelt. Hinter diesem erstreckte sich eine so große Menge an Lazarettzelten, dass es wie eine eigene kleine Zeltstadt im großen Heer wirkte. Alle Zelte waren weiß, und mit dem Symbol des Blutstropfen an der Vorder- und Rückseite gekennzeichnet. Über dem größten Zelt in der Mitte wehte das Banner des Ringes im Wind. Miriel blieb kurz stehen und wies mit einer kurzen Armbewegung über die Zelte.

"Unser Lazarett. Jedes Zelt wird von einem eigenen Medicus geführt. Dieser ist nur unserem Befehl unterstellt und hat diesem Folge zu leisten. Ich würde dich bitten mir in das große Hauptzelt zu folgen, wo ich ein Séparée habe in dem ich deine Trankflaschen am besten unterbringen kann."

Im zügigen Tempo durchschritten Miriel, Sonea und der Krieger die Lazarettstadt und erreichten, mit ein paar wenigen Zwischenhalten das große Hauptzelt. Der Leibwächter hob die Plane zur Seite und sie betraten den Innenraum. Eine große Anzahl von Bahren, ordentlich aneinander gereiht, flankierte den Eingang. Im hinteren Teil des Zeltes befand sich ein durch Tücher abgehängter Bereich, den Miriel mit ihren Begleitern nun betrat. Auf einer der beiden Pritschen lag ein in weiß und rot gekleideter, mit einer blut besudelten Schürze zugedeckter Mann. Er schnarchte und hielt mit der rechten Hand den Knauf seines etwas schartigen und blutigen Schwertes fest. Miriel runzelte kurz die Stirn und trat unsanft gegen das eine Bein der Liege.
"Sonea, das hier ist Ringsprecher Frey Thomasson. Ich glaube, ihr seid euch schon mal kurz begegnet."

Als Miriel so unsanft gegen die Liege trat wurden Soneas Augen kurz schmal, doch sie schwieg auch zu diesem Thema. Frey registrierte den Tritt gegen sein 'Bett' kaum. Er brummte nur unzufrieden im Schlaf und wälzte sich auf seine andere Seite. Sein blondes Haar lag unordentlich und war von Schweiß, Blut und Schlamm verklebt, ebenso wie der Rest seiner Kleidung. Neben seiner Liege lehnte schief ein schartiger, halb zerhauener Schild, dazu ein grober Streitkolben. Direkt am Kopfende lag ein zerschlissener, großer Umhänge-Lederbeutel, in dem man allerlei Heilerutensilien erkennen konnte.
Der Heiler musste einfach auf die Liege gefallen und sofort eingeschlafen sein. Er hatte sich nicht einmal die Stiefel ausgezogen. Generell sah es in dem Zelt sehr unaufgeräumt aus. Kisten stapelten sich in einer Ecke, an den Streben hingen Kleider zum Trocknen sowie verschiedene Kräuter neben einer Wurst, über eine Kiste war ein Kettenhemd ausgebreitet. Auf einem kleinen Schreibpult stapelten sich Bücher und Pergamente zwischen heruntergebrannten Kerzen, Schreibutensilien, daneben eine offene Kiste voller Alchemiegefäße mit bunten Flüssigkeiten und Ingredienzien
Und überall blutige Kleidungsstücke...

Frey schien mit seiner Schlafposition doch nicht so zufrieden zu sein, denn nur Augenblicke später rollte er wieder zurück in seine alte Position. Unter seinem Kopfkissen sah Senoa einen blanken Dolch aufblitzen.
"Lass ihn schlafen Miriel, der Mann ist vollkommen fertig." meinte sie leise.
Die Heilerin zog eine Augenbraue nach oben und blickte Sonea kühl an. "Ich denke, dass ich relativ genau weiß, was ich diesem ‚armen’ Mann zumuten kann und was nicht. Dass er fertig ist, ist kein Wunder. Er hat die Nachtschicht übernommen und ist jetzt hier eingeschlafen, obwohl er eigentlich Notbereitschaft für noch mindestens eine Stunde haben sollte. Aber da ist es ja leichter einen Toten zu wecken als ihn."

Mit diesen Worten trat sie noch einmal und um einiges fester gegen das Feldbett und nickte ihrem Leibwächter zu. Dieser streckte eine behandschuhte Hand aus und rüttelte kräftig an der Schulter des Ringsprechers.
"Wach endlich auf, Frey. Du hast mir noch keine Meldung über die letzte Nacht gemacht und außerdem kannst du dich genauso gut in unserem Zelt schlafen legen, wenn du nicht mehr wach bleiben kannst."

Mit einem sehr knurrigen Stöhnen schlug Frey die Augen und setzte sich auf die Kante der Pritsche. Er legte den Kopf schief und mit einer kurzen Muskelanspannung knackten einige Wirbel wieder in ihre angestammte Position. Dann streckte er sich und setzte seinen ganzen Körper unter Anspannung. Er schien nach dieser kurzen Aufwachphase jedoch hellwach zu sein.
Er musterte die Anwesenden einen Augenblick und nickte Sonea kurz zu. "Die Nacht war beschissen. Die Rakhs haben den Verbandplatz mit einem Katapult beschossen und dann den Rückzug gestürmt. Wir habens grade so geschafft, sie zurückzudrängen um allen die Flucht zu ermöglichen. Keine Verluste bei uns, aber sonst mehr als in den letzten Tagen."

Er rieb sich die müden Augen, griff nach einer Flasche unter dem Bett und nahm einen tiefen Zug daraus.
"Dann hat eine Gruppe Berserker des Khorne das Katapult zerstört, aber von denen hats glaube ich keiner zurück geschafft. Sonst läuft alles normal. Das Lazarett quillt vor Verletzten über und unsere Heiler kommen weder zum Essen noch zum Schlafen," fügte er zynisch hinzu.
Sonea nickte nur leicht und murmelte nachdenklich vor sich hin: "So schlimm also... aber zum Glück noch nicht schlimmer als..." Sie beendete ihren Satz nicht und schüttelte kurz den Kopf. "Wo ist es am schlimmsten nach Eurer Einschätzung? Was sollte getan werden?"

"Was getan werden solle?" brummte Frey und stand von seiner Pritsche auf. Jetzt konnte man sehen, dass in seinem linken Arm ein oberflächlicher Schnitt klaffte, der aber schon aufgehört hatte zu bluten.
"Dasselbe was schon die ganze Zeit getan wird. Kämpfen und nicht aufgeben. Vielleicht sollten sich die anderen Archonten mal dazu herablassen, Truppen hierher zu schicken. Aber weder heute noch morgen werden Zeit für politische Gespräche sein."
Er wandte sich an Gavin und Miriel. "Alles in Ordnung?"

Sonea runzelte die Stirn und setzte, anscheinend wenig erfreut über Freys Bemerkung zu einer Erwiderung an. "Die Truppen des Ostens sind an drei Festungen des schwarzen Eises gebunden, wenn man sie da abzieht werden sie uns allen in den Rücken fallen. Der Westarchon, nun ich denke ihn interessiert das ganze nicht und der Süden kämpft gegen das Untote Fleisch ums Überleben. Woher also sollen die Truppen kommen. Menschen entstehen nicht im 5 Minuten Takt aus einer schwarzen Ursuppe." Sie seufzte. "Wer befehligt die Magier in diesem Feldzug?"

Miriel schnaubte, als sie Soneas Worte hörte. "Mal ganz davon abgesehen, dass der Osten sowieso nicht der Meinung ist, dass diese Schlacht unterstützungswert wäre. Es kommt immer auf die Sichtweise an, obwohl ich weder Euch, noch Tiara Lea damit Vorwürfe machen will. Es ist wie es ist und wir machen das beste daraus."
Sie lächelte Frey schief an und nickte. "Soweit alles in Ordnung. Momentan ist wohl kein weiterer Angriff zu erwarten, eine kurze Atempause für uns also. Die Front sieht aus wie immer...aber die Heiler kommen so eventuell endlich dazu ein paar Nachversorgungen zu machen und den Berg an Kriegern abzuarbeiten."
Die Heilerin hatte während des Sprechens ein tönernes Gefäß aus ihrer Tasche gezogen und entfernte nun den Korken. Vorsichtig strich sie etwas von der Salbe daraus auf Freys Oberarm und legte danach routiniert einen Verband darüber. Besorgt musterte sie ihn und nahm ihm die Flasche aus der Hand, um sie an ihren Leibwächter weiter zu geben, der sie kommentarlos unter der anderen Pritsche verstaute.

Miriel blickte wieder zu Sonea und zuckte die Schultern. "Ich habe keine Ahnung, wer den Befehl über die magischen Einheiten in der Schlacht hat. Da müsstest du dich eventuell an so jemanden wie Meister Urquart wenden. Ich denke, dass er dir weiterhelfen könnte."

Sonea nickte dankend, aber man sah, dass ihr die Worte der beiden Ringsprecher schwer im Magen lagen. "Glaube nicht, dass Tiara es kalt lässt was hier oben geschieht Miriel. Wenn sie hier wäre würde sie irgendwann einfach vor Erschöpfung umfallen. Und genau das ist der Grund, warum sie nicht hier ist..." Sie seufzte. "Sie ist zu wichtig für dieses Land, für uns alle. Und es ist so lange her, dass ich sie einmal unbeschwert lachen sah..." Sie schüttelte ihre Gedanken ab und sah Frey an. "Wollt ihr etwas essen Frey? Und ihr Miriel? Ich hätte da vielleicht einen kleinen Aufmunterungsleckerbissen für euch. Ich glaube, ihr könnt es besser gebrauchen als ich..." Sie griff in eine ihrer Taschen und nahm etwas heraus, das in Leder eingeschlagen war. Was daraus zum Vorschein kam war ein einfacher Kuchen, welchen sie den Beiden anbot. "Seht es bitte als kleine moralische Unterstützung, ein kleines Stück Angenehmes in dieser schweren Zeit. Nehmt es, genießt es und erinnert euch vielleicht ein paar mal daran..."

Frey blickte kurz auf den Kuchen und schüttelte den Kopf. "Behalt deinen Kuchen und heb ihn für die auf, die ihn wirklich nötig haben. Der Junge zum Beispiel, dem heute Nacht der Arm abgehauen wurde und der wahrscheinlich die nächste Nacht nicht überlebt. Der könnte solche Süßigkeiten besser gebrauchen. Oder sein Freund, der drei Betten weiter liegt und immer noch in seinen Bauch blutet. Oder gib ihn Karl, der den ganzen Tag nichts anderes macht als Salben und Tränke zu brauen und den die Alchemie 10 Jahre älter aussehen lässt als er ist."

Freys Blick und Tonfall ließen keinen Zweifel an seiner Bitterkeit. Zynisch fuhr er fort:
"Aber vielleicht denken auch diese Leute genauso wie ich, nämlich das dieser Kuchen nur eine weitere Wunde in unsere Seelen schlägt. Niemand hier will sich an all die Annehmlichkeiten erinnern, die dieser Krieg ihnen genommen hat. Ich sage dir Sonea, dein süßer Kuchen wird für alle die Realität nur noch viel schlimmer und unerträglicher machen. Besser du behälst ihn für dich."

Wortlos packte sie das Gebäck wieder ein und sah Frey einfach nur an bevor sie leise murmelte: "Der nächste also..." Sie wandte sich ab. "Ich sehe der Feind leistet hier ganze Arbeit, bitte entschuldigt mich..." Sie verließ ohne ein weiteres Wort ab zu warten das Zelt.

Miriel blickte Sonea mit einer hochgezogenen Augenbraue nach.
"Das war..." sie rang die Hände und seufzte dann ergeben. "...taktlos und nicht sehr freundlich." Frey sah aus, als wolle er Einwände einwerfen, aber Miriel hob warnend die Hand. "Aber du hast recht mit dem, was du gesagt hast. Sie ist noch nicht lange genug hier um zu verstehen..."
Sie setzte sich auf das andere Feldbett und zog die Flasche, aus der Frey vorher getrunken hatte unter dem Bett hervor und nahm nun selber einen tiefen Zug daraus. Während sie den Stopfen wieder auf die Flasche steckte blickte sie starr auf den Boden.
"Ich kann nicht mal im Ansatz nachvollziehen, warum Thorus und Tiara hierher keine Truppen schicken, oder selber mit in die Schlacht ziehen. Im Osten ist der Archon damit beschäftigt drei Festungen des schwarzen Eises anzugreifen...ich habe keine Ahnung, wo er die ganze Soldaten dafür hernimmt und warum man sich nicht Stück für Stück mit den Angriffen auf so was beschäftigen kann. Natürlich, ich kenne mich damit wahrscheinlich nicht gut genug aus, aber die Abwesenheit der Truppen des Ostens schmälert auch hier die Moral. Ich habe schon viele darüber sprechen und fluchen hören, dass es mit den Soldaten des Ostens so viel einfacher wäre. Verdammt..."

Miriel stellte die Flasche unsanft auf den Boden und fuhr sich unwillig durch die Haare. Sie hatte die Lippen so fest aufeinander gepresst, dass sie nur noch zwei dünne Striche waren. Sie stieß die Luft durch die Nase aus und schüttelte den Kopf. Gavin zog eine Augenbraue nach oben und blickte etwas hilflos zu Frey. Er hatte Miriel in letzter Zeit schon öfter in dieser Verfassung gesehen und er wusste, dass in diesen Situationen nicht mit ihr zu spaßen war.

„Das ganze hier ist völlig hoffnungslos und ich frage mich ernsthaft, wie lange wir das hier alle noch durchhalten...“


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Geschrieben am: Jul 27 2008, 09:29 AM
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[ Zeitpunkt: ca. Juni, Feldlager Isenfels am Nördlichen Siegel Mythodeas ]

Mit energischem Schwung schlug Miriel die Zeltplane zurück und betrat ihr persönliches Wohnzelt. Fluchend stolperte sie über einen im Weg liegenden Beutel voller Verbände und schob ihn achtlos mit dem Fuß zur Seite. Sie stellte die kleine Öllampe auf den mit Dokumenten, Essensresten und alchemistischen Gerätschaften überfrachteten Tisch und ließ sich seufzend auf den davor stehenden Stuhl sinken. Ihre Hände zitterten so stark, dass als sie versuchte sich aus der Karaffe einen Schluck Tee in ihre Tasse zu gießen ein guter Teil daneben ging.
Flüchtig wischte sie mit dem Ärmel ihres Kleides über den sich langsam ausbreitenden dunklen Fleck. Ein paar der Dokumente landeten unbemerkt auf dem festgetrampelten Boden des Zeltes. Die Heilerin führte die Tasse an die Lippen und trank in kleinen Schlucken von dem schon längst kalt gewordenen Tee. Nach einem Dutzend kleiner und langsamer Schlucke ging ein leichter Schauer durch den Körper der Ringsprecherin und sie sank ermattet in die mit Fell ausgekleidete Lehne ihres Stuhls zurück.
Ihre Augen waren fast komplett bedeckt von ihren Lidern, die viel zu schwer waren um sie noch vollständig zu heben. Jetzt hatte Frey seinen Dienst anzutreten und für Miriel war es an der Zeit zwei, vielleicht auch vier Stunden zu ruhen und sich dann wieder der Arbeit zu widmen. Vielleicht würden es auch mehr als vier Stunden werden... Die Dosis war heute etwas höher als sonst, sie konnte es daran spüren, dass ihr Herz flatterte wie ein kleiner, nervöser Vogel. Doch sie machte sich keine Sorgen, solche Gefühle hatte sie an der Grenze zum Norden zurückgelassen. Sollte ihr etwas geschehen so würde man sie entweder früh genug finden – oder auch nicht.
Müde hob Miriel die Lider und blickte sich in ihrem Zelt um. Die Öllampe strahlte ein diffuses Dämmerlicht aus und die Schatten an den Zeltwänden schienen zu tanzen, sich zu verbiegen und ständig neu zu formen – ein Tanz der Schatten, allein sichtbar für ihre Augen. Ein entspanntes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, doch es konnte den harten Zug um ihren Mund nicht erweichen. Leise summte sie die Melodie mit, zu der die Schatten tanzten. Die Musik nahm sie immer mehr gefangen und trug sie fort, zu den Tänzern in der Schattenwelt und weg von alldem was sie hier gefangen hielt.


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Geschrieben am: Aug 3 2008, 04:49 PM
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[ Zeitpunkt: vor einigen Wochen, Feldlager Isenfels am Nördlichen Siegel Mythodeas ]

Das Geklirr und Geschepper vorbeiziehender Truppen riss Menros aus dem kleinen Mittagsschläfchen, dass er an seinem improvisierten Schreibtisch in einem der großen Heilerzelte gehalten hatte. Der in den Mitsechzigern steckende Heiler streckte die müden Glieder und knackte vernehmlich mit dem Genick. Gemütlich strich er sich über seinen langen, gepflegten Bart und erhob sich, um der Lärmquelle auf den Grund zu gehen. Aus dem Weg Ausgang gab er ein paar Heilern Anweisungen und sprach hier und da ein freundliches Wort zu den Verletzten. Als er die Zeltplane am Eingang zurückschlug sah er sich den matt glänzenden, schwarzen Rüstungen des Chaos gegenüber, die in Zweierreihen an ihm vorbeizogen. Menros blickte verwirrt nach rechts und sah, dass sich ein Heerwurm, bestehend aus Menschen, Chaoten und einiger Drow aus dem großen Feldlager in Isenfels fortbewegte.

Wie ein Blitz durchfuhr ihn die durch den Schlaf etwas verspätet aufkeimende Erinnerung: Heute rückte ein Teil der Truppen des Archons und der Nyame des Nordens aus in den Süden, um dort gemeinsam mit den anderen Archonten und Nyamen den Untod zu bekämpfen und die unheilige Stadt Ankor Mortis dem Erdboden gleich zu machen. Das Scheppern der Rüstungen ließ langsam nach als die Chaoskrieger Stück für Stück am Lazarettzelt vorbeizogen. Hinter ihnen folgten die Naldar, das stolze Volk des Windes. Hoch zu Ross oder zu Fuß bildeten sie in ihren weißen, fließenden Gewändern und ihrem fremdländischen Kopfschmuck einen starken Kontrast zu den düsteren Kriegern aus dem Norden. Zwischen den Naldar konnte Menros ein paar Gestalten in vornehmlich blauer Gewandung erspähen: Die Linesti, das Volk Aquas, welches sich ebenfalls dem Ruf Lord Elkantars angeschlossen hatte. Hier im Norden kämpften sie alle Seite an Seite gegen das Schwarze Eis, um das Land zu befreien. Und hier zogen sie nun alle gemeinsam in den Süden, um dem nächsten verfemten Element den Krieg zu erklären. Der bescheidenen Meinung des ältlichen Heilers nach hatte der Untod sich zu fürchten, sollte er auf diese Armee treffen. Es war eine beeindruckende Truppengröße, die sich in einer endlos erscheinenden Schlange aus dem Lager wand.

„Menros!“ Eine Frauenstimme rief seinen Namen und er blickte verwirrt nach links, die Reihen der vorbeiziehenden Krieger hinauf. In einiger Entfernung, hinter den Naldar, konnte er das Banner des Ringes entdecken, welches von einem schwer gerüsteten Krieger auf einem Streitross in die Höhe gehalten wurde und direkt hinter ihm die beiden Ringsprecher Miriel und Frey. Miriel winkte ihm zu, während Frey nur ein kurzes Nicken übrig hatte und sich dann wieder den hinter ihm marschierenden Heilern zuzuwenden, die sich unter seinen etwas ruppigen Rufen eilig wieder in die Formation eingliederten.
Als die Ringsprecherin auf seiner Höhe war scherte sie kurz aus der Formation aus und zügelte ihr Pferd.

„Es tut mir leid, dass ich dich nicht früher aufsuchen konnte, aber die letzten Vorbereitungen und Besprechungen haben länger gedauert als gedacht. Ich habe hier etwas für dich, auf das du gut Acht geben musst.“
Menros nickte bedächtig und blickte aufmerksam zu der jungen Frau hinauf. Sie war blass und sah stark übernächtigt aus, aber ihre Augen blickten wach und stark. Er machte sich schon seit längerer Zeit Sorgen um sie, als auch um Frey. Beide arbeiteten zuviel und zu hart, und er war fast froh, dass sie nun die Reise in den Süden antraten. Diese mochte zwar beschwerlich sein, aber sie würden mehr Schlaf und Ruhe bekommen als in den Heilerzelten hier am Rande der Belagerung.
„Was auch immer es ist Miriel, ich werde gut darauf Acht geben. Das verspreche ich dir.“ Beteuerte er mit einem Lächeln, welches Miriel schmal erwiderte. Sie reichte ihm vom Rücken ihres Pferdes eine kleine hölzerne Kiste hinab, die kaum Gewicht hatte.

„Da drin befindet sich ein Teil des Vorrats der Turanslilie, welche wir von den Linesti bekommen haben. Daneben findest du zwei kleine, in Leinen eingewickelte Phiolen. In der einen befindet sich ein wenig von der Essenz Naquams, in der anderen etwas vom gesegneten Wasser der Quelle Aquas. Handle weise mit diesen Gaben. Die Elemente mit dir.“
Ohne eine Antwort abzuwarten wendete sie ihr Pferd und schloss im schnellen Trab zu Frey auf.

„Hast du ihm die Sachen gegeben?“ brummte dieser und musterte mit einem kritischen Gesichtsausdruck die Heiler hinter sich.
„Ja. Ich bin mir sicher, dass es in seinen Händen sicher ist. Sechzig Heiler...ob das reicht? Wie viele von ihnen werden wohl den Osten, wenn wir ihn passieren nicht mehr verlassen wollen? Ich bin gespannt wie viele noch die Kraft haben mit uns weiter zu ziehen und an diesem unsäglichen Eroberungszug teilzunehmen.“
„Das werden wir sehen wenn es soweit ist. Hauptsache dieser Außenposten von Ankor Mortis wird vernichtet und die Naldar können ungesehen ihren Angriff auf das Herz des Untods durchführen.“
„Ich hoffe, dass es klappen wird. So lange die Elemente auf unserer Seite sind und die Archonten und Nyamen versuchen zusammen zu arbeiten sollte es wohl gehen. Beten wir zu Aqua, dass es zu keinen unangenehmen Überraschungen kommen wird...“
„Bete du nur Miriel, ich glaube nicht, dass uns das helfen wird...“


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