Es wird Sommer. Das behaupten zumindest die frisch aufgeblühten Blumen auf dem Bild, das das Kalenderblatt für diesen Monat ziert. Auch das Radio versucht, die Illusion aufrecht zu erhalten und spielt vermehrt feurige lateinamerikanische Rhytmen, Kongas im Hintergrund und leicht mitzugröhlende Texte mit vielen "Oh Yeah"s und "Schalalalala"'s.

Das Wetter hingegen weigert sich weiterhin eklatant, sich von der aufkeimenden Sommerlaune anstecken zu lassen. So wurden uns zwar in den letzten Wochen zumindest zwei-drei Tage beschert, an denen man die Jacke getrost am Haken baumeln lassen konnte und die Eisdielenbesitzer vorsichtig auf Kundenfang gingen, im Großen und Ganzen aber dominieren weiterhin dicke Wolkendecken den Himmel.

Mir selber kommt dieses Wetter eigentlich sehr entgegen. Natürlich könnten es gerne noch ein oder zwei Grad wärmer sein und gegen weniger spontane Regenschauer hätte ich auch nichts einzuwenden, aber wenn man wie ich auf Sonnencreme mit fast schon dreistelligem Schutzfaktor angewiesen ist, um nicht nach einem gemütlichen Spaziergang um den See wie ein Hummer auszusehen, freut man sich doch ein wenig, wenn ein paar Wolken für angenehm indirekte Beleuchtung sorgen.

Apropos indirekte Beleuchtung: Die scheint grade mal wieder richtig im Trend zu sein. Den Eindruck bekomme ich jedenfalls, wenn ich beim abendlichen Zappen wieder über eine dieser Wohnungs-Verschönerungs-Sendungen stolpere, die sich genau so hartnäckig auf den Sendeplätzen halten wie der ganze andere "Reality"-Müll. Länger als 2 Sekunden bleibe ich bei besagten Sendungen eigentlich nur desshalb hängen, weil ich immernoch hoffe, dass die Opfer dieser radikalen Umbaumaßnahmen ihren zweifelhaften Wohltätern den Schädel einschlagen anstatt sich stundenlang zu bedanken. Denn seien wir doch mal ehrlich - die meisten dieser neuen Zimmer sind zwar recht hübsch anzusehen, aber nicht wirklich dazu gedacht, dass man sie auch wirklich betritt, beschweige denn, darin längere Abschnitte seines Alltags verbringt. Verschwindet bei einigen Neuarrangements der romantische Anschein schon sobald die sorgfältig positionierten Teelichter ausgebrannt sind und man auf die elektrische - und natürlich indirekte - Beleuchtung zurückgreifen muss, sind es bei anderen Zimmern schlicht die Menschen selbst, die stören. So ein langhaariger, Bandshirt und Jeans tragender Teutone passt nunmal nicht so recht in ein komplett auf asiatisch getrimmtes Wohnzimmer, egal wie (oder grade weil) trendy und hip das zurzeit mal wieder ist. Alternativen bleiben für das verkrampft in die Kameras lächelnde Opfer kaum: Entweder zur Alltagsgaderobe gesellen sich Bambusschlappen und ein Kimono oder man wartet, bis der Ü-Wagen der Inneneinrichtungsanarchisten die Stadt verlassen hat, versteigert die stylische Asia-Einrichtung im Internet und kauft sich vom Erlös ein paar "passt irgendwie zu fast allem"-Bausätze eines bekannten schwedischen Puzzeldiscounters.

Oder man verbringt den Großteil seiner Zeit einfach woanders. Am See zum Beispiel. Es wird schließlich Sommer. Schalalalala.